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Adel Abdessemed, Sislej Xhafa: Differenz der Veränderung

?Auf die Frage, warum er die Galerie Christine König nicht allein bespielt hat, antwortete der Künstler Adel Abdessemed, politischer Migrant aus Marokko, dass er die Ausstellung in Wien mit seinem in New York lebenden „Bruder“ Sislej Xhafa teilen wollte. So wurde ich über eine andere Art der Versippung in der Kunstwelt aufgeklärt. Ob die Schwestern auch noch zum Zug kommen werden? Das ist nicht die erste gemeinsame Ausstellung der beiden international gefragten Künstler, die zielstrebig, erfinderisch und manchmal auch schmerzhaft globale Brücken zwischen Orient und Okzident schlagen. Abdessemed zählt derzeit zu den aufregendsten französischen Künstlern. Er sprüht gerade vor Energie. Als Provokateur und Künstlerphilosoph tituliert ist er gerade auf dem Weg, ein zweiter Damien Hirst zu werden, obwohl sein nuanciertes multimediales Werk vielmehr einer „plastischen Synapse“ gleich als es der Marktlogik entgegen kommt. Seine oft gigantischen Arbeiten, die Tod, Gewalt und andere irdische und systembedingte Bosheiten reflektieren und die Krise traditioneller Machtverhältnisse an der Grenze zu Sacrum und Profanem frei setzen wie sein bekanntes Menschenskelett Habibi - sorgen für Aufregung. Gerade hat man seine Soloshow „Don’t trust me“ in San Francisco schließen müssen und auch die Biennale in Glasgow- the Gi Festival - weigerte sich, seine sechs schnellen Loops über das Töten von Tieren in Mexiko zu zeigen. Wer nicht flexibel und angepasst ist, soll verschwinden, lautet die Devise; auch für die Akteure der Kunstwelt. In der Christine König Galerie zeigt der Algerier nur zwei dem autonom-kunstlosen Minimalismus huldigende Werke. Die im Eingangsraum an der Decke sich flach und rhizomhaft ausbreitende, Hirn-ähnliche Neoninstallation „Mehr Licht“ strahlt über den sonst leeren White Cube. Sie mag zwar profan aussehen, die Wirkung der Arbeit, die man am liebsten liegend wahrnehmen möchte, kippt jedoch, ohne sichtbare Sprünge oder Brüche zu bilden, in ein sakral-spirituelles Bewusstsein. Die zweite Arbeit „Orient for global Bordelo“ generiert den Übergang zwischen der biologischen und der kulturell-politischen Dimensionen des Geistes. Sie besteht aus sechs übereinander gereihten FedEx Versandschachteln, die in ihrem Inneren handgeschriebenen Manuskripten eine Art Asyl gewähren. Geschrieben wurden sie von Prostituierten aus dem Wiener Hotel Orient, die vom Künstler eingeladen wurden, einen Roman ihrer Wahl zu kopieren. Darunter findet sich Kafkas Das Urteil oder Dostojewski. Das physische Abschreiben als geistig-psychische Skulpturalisierung des Selbst? Zu dieser effektiven Untersuchung der alltäglich nomadischen Kartografie neunoraler und mentaler Netze gesellen sich die mit gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Realitäten kommunizierenden, formal ebenso reduzierten und was das Material anbelangt, wie „gescheitert“ wirkende Werke von Sislej Xhafa. Sie sind kaum zu sehen, versteckt im hinteren Teil der Galerie (White Corner) oder der Situation fügsam unangepasst (Honey and Stairs). Poetisch aber der Veränderung skeptisch gegenüber, affirmativ in ihrer leisen Auflehnung und zweifelhaften Vorstellung, ob der Künstler noch etwas produzieren soll, was sich zu deponieren lohnt. Aber auch dieser traurige Determinismus kann zur „Explosion des Zorns“ führen. Wenn nicht, dann sollte man das vielleicht wieder lernen.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Adel Abdessemed, Sislej Xhafa
07.05 - 28.06.2008

Christine König Galerie
1040 Wien, Schleifmühlgasse 1a
Tel: +43-1-585 74 74, Fax: +43-1-585 74 74-24
Email: office@christinekoeniggalerie.at
http://www.christinekoeniggalerie.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa 12-16h


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