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Thomas Demand - Camera: Es werde Licht

Man stelle sich einmal vor, jemand bricht in die Botschaft eines exotischen afrikanischen Landes in Rom ein, stiehlt dort Dokumente, die er dann auf plumpste Weise manipuliert, spielt diese Fälschungen anschließend dem italienischen Geheimdienst zu, der sie sogleich bereitwillig an den befreundeten CIA weiterreicht, wodurch das heiße Material in die Hände des ohnehin kriegslüsternen amerikanischen Präsidenten gerät, der damit nun endlich den ersehnten Casus belli konstatieren kann. Unglaublich? Aber wahr. Denn so geschehen im Falle von George W. Bush, der seinen Schlag gegen den Irak ja nicht zuletzt – auf Beweisgrundlage ebendieser „Dokumente“ – mit dessen scheinbar verabredeten Urankäufen in Nigeria verfocht. Und so gesehen bei Thomas Demand, der jetzt die Bilder zu dieser politischen Räuberpistole liefert. Der Künstler hatte sich nämlich – ganz gegen seine Gewohnheit, auf bereits existierende Vorlagen zurückzugreifen – Zutritt zu der nigerianischen Botschaft verschafft und dort in der Manier eines investigativen Journalisten heimlich Fotos aufgenommen – oder auch in der Manier eines Diebes fortgenommen, wodurch sich eine erste Parallele zu dem Polit-Fall ergibt. Und ebenso dramatisch wie die Umstände der Produktion der (Vor-)Bilder scheinen nun auch die Umstände ihrer Präsentation, denn die großformatigen Diasec-Prints der „Embassy“-Serie hängen, von gezielten Spotlights in Szene gesetzt, in geheimnisvoll abgedunkelten Räumen und formen derart einen Parcours, der den Betrachter Demands Recherchegang nacherleben lässt, ihn also schrittweise – über die Ansichten der Fassade und des Stiegenhauses oder bürokratisch-schmuckloser Flure – an den eigentlichen Ort des Verbrechens heranführt: das Büro, aus dem die Dokumente verschwanden. Und hier, im Zentrum dieser offenbar auch didaktisch angelegten Foto-Installation, geht dem Betrachter ein Licht auf, hier ist nun endlich der Moment der Aufklärung und Erleuchtung gekommen, weil, erstens, dieser Raum tatsächlich als einziger hell ausgeleuchtet ist und man, zweitens, spätestens jetzt – vor allem anhand all der auffällig blanken, unbeschrifteten Papiere, Bücher und Akten – bemerken muss, dass Demand ja nicht die vorfindliche Welt porträtiert, sondern Modelle abfotografiert; der Künstler also aus dem Ausgangsmaterial etwas Neues, eine andere Wirklichkeit geschaffen hat, womit sich schon eine zweite Parallele zu dem Polit-Fall ergibt. Doch trotz dieser schönen, vielleicht aber auch nur schön gedeutelten Kongruenzen, die sich sonst freilich kaum in Demands Werk finden (so in der ebenfalls gezeigten Serie „Klause“, deren Bilder vom mutmaßlichen Tat-Ort eines kollektiven Kindesmissbrauchs zum Teil frappant an gewisse Amstettener Keller-Aufnahmen erinnern), könnte man sich anlässlich dieser Rumpf-Retrospektive schon einmal fragen, worin denn der Nutzen von Demands Fleißarbeit liegt bzw. worin eigentlich der Sinn seiner Fortsetzung der Appropriation Art mit modellhaften Mitteln besteht – denn die Medien-Ikonen, auf die er ja immer rekurriert, einfach nur fotografisch zu reproduzieren ging schon alleine aus Gründen des auch in der Postmoderne gültigen Innovationszwangs, namentlich wegen Figuren wie Levine oder Prince, nicht mehr. Verwirklicht sich hier also bloß der Bildhauer Demand, der im Gegensatz zu Struffsky kein gelernter Fotograf ist, und versucht somit über den Umweg des Handwerks, seiner Fotografie den Kunst-Status zu sichern? Oder garantiert das Model-Making vor allem das auf dem Kunstmarkt unumgängliche Distinktionsmerkmal, das seinen Bildern, ebenso wie die Verwendung der bekannten Vor-Bilder, die augenblickliche Wiedererkennung ermöglicht? Oder unterstützen die Modelle vielmehr Demands medienkritischen Impetus, weil sie höchst eingängige Symbole für die Konstruiertheit von Bildern darstellen, für die Konstruiertheit ihrer Produktion wie ihrer Rezeption. Denn die Leerstellen in Demands Fotografien verlangen zwingend danach, von unserer Phantasie gefüllt zu werden, was uns letztlich zu Mit-Autoren der Bilder macht. Wir sehen nämlich, was wir sehen wollen. Und das gilt sogar für jemanden wie „W.“, womit sich schließlich eine dritte und letzte Parallele zu dem Polit-Fall ergibt.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Thomas Demand - Camera
04.04 - 06.07.2008

Hamburger Kunsthalle
20095 Hamburg, Glockengießerwall
Tel: ++49 (0) 40 428 131 200, Fax: ++49 (0) 40 428 54 34 09
Email: info@hamburger-kunsthalle.de
http://www.hamburger-kunsthalle.de
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 h, Do 10-21 h


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