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Kulturkampf

Mit dem Teilungsvertrag von Verdun wurde das Karolingerreich in drei Territorien zerschnitten. Den westlichen Teil bekam Karl, um daraus Frankreich auf den Weg zu bringen. Der Osten wurde Ludwig zuerkannt und mit ihm der zutreffende Beiname "der Deutsche". Die Mitte ging an Lothar, und aus diesem Lothringen entwickelte sich ein besonderer Streitfall der Geschichte. Nach mehr als tausend Jahren und zwei Weltkriegen ist das Stück Mittelland nunmehr ganz befriedet. Ganz? Nein, denn ein unerschrockener Streifen Bankenareal leistet hartnäckig Widerstand. Man nennt es Liechtenstein. "Die Fürstlichen Sammlungen werden solange darauf verzichten, Leihgaben nach Deutschland zur Verfügung zu stellen, solange die Anwendung rechtsstaatlicher Grundprinzipien seitens der Bundesrepublik Deutschland, was die Beziehungen zum Fürstentum Liechtenstein betrifft, fraglich erscheint", hieß es neulich in amtlicher Diktion, und das Exempel war gleich statuiert. Die Ausstellung von "Wiener Malerei des Biedermeier aus den Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein", die für München vorgesehen war, ist abgesagt worden. Der Clash of Civilisations, so scheint es, ist in vollem Gange.

Wie die anderen Kleinstaaten der europäischen Mittellage, wie Monaco mit seinen Grimaldis oder Luxemburg mit seinen Großherzögen, hat die Gegend um Vaduz etwas Operettenhaftes. Steuerprobleme? Herr Ober, ein Glas Champagner! Und da sind wir bei einem anderen Opererettenstaat, der, wie man liest, auch schon ins Blickfeld geraten ist der Imperialisten vom Reich. "Österreich im Fadenkreuz", titelte entsprechend die Süddeutsche Zeitung. Der Kulturkampf, so lässt sich mutmaßen, wird nun richtig in Schwung kommen. Nicht auszudenken, wenn also auch Österreich zum Boykott gegen Deutschland aufruft. Kein Andy Borg mehr, nur noch Carmen Nebel. Keine Wiener Sängerknaben, nur Regensburger Domspatzen. Kein Mozart, nur Beethoven. Kein Belcanto mehr, nur noch Heldentenor. Werner Hofmann wird zurückgerufen aus Hamburg, Max Hollein aus Frankfurt, Peter Weibel, Barbara Steiner, ein Aderlass sondergleichen. Die documenta findet ohne österreichisches Geld statt. Nichts mehr mit Wiener Malerei, des Biedermeier oder sonst woher. Wanderausstellungen gehen nur noch nach China. Indes besteht vage Hoffnung: "Sollten sich die Umstände ändern, ist das Fürstenhaus selbstverständlich bereit, die engen und guten Beziehungen zu den deutschen Museen wieder aufzunehmen", beeilte man sich von Liechtenstein aus hinzuzufügen." Um Himmels willen wird sich Österreich das dann bitte, sollten sich die Umstände ändern, zu Herzen nehmen.

Mehr Texte von Rainer Metzger

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