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Quod licet Chauvi

Das Belvedere der Frau Husslein hat sich so richtig in den Vordergrund gespielt die jüngste Zeit. Im "Standard" war man so begeistert, dass ihr Haus im letzten Jahr dasjenige des Herrn Schröder in der Quantität der Besucherzahlen überholt hat, dass man ganz vergaß, auch anzuführen, dass das Haus des Herrn Seipel noch weiter vorne ist. Triumphe sind persönlich in Wien, und besonders jene öffentlicher Institutionen. Zusätzlich mag noch ein wenig Sippenhaftung anfallen - die Freundeskreise von Belvedere und KHM dürfen sich jedenfalls von nun an nicht mehr gegenseitig kostenlos besuchen. Die Frau Husslein will den hiesigen Museumsstrumpf sowieso kräftig umkrempeln. Ausgerechnet in einem Forum namens "Zigarrenclub" hat sie es diesbezüglich qualmen lassen. Und mit der soeben angelaufenen Schau zu Oskar Kokoschka setzt sie weitere Rauchzeichen. Im Vorfeld hat das Belvedere, wie es sich gehört, um Leihgaben angesucht, exquisit und weltweit. In einer deutschen Stadt wurde auch angefragt, für zwei potentielle Exponate, die sich in zwei Häusern befinden, denen sie auch jeweils gehören. Das Belvedere indes hat in seiner Anfrage die beiden Häuser zu einem gemacht, is eh olles ans, wenn man es vom Feldherrnhügel des Prinzen Eugen betrachtet. Man selbst würde sich zwar schön bedanken, ginge ein Ansuchen ein, das sich um ein Stück bemüht, das, sagen wir, dem MUMOK gehört. Doch quod licet Jovi, non licet bovi, wie es so schön heisst im alten Konsulars-Jargon. Oder sollte man sagen: Quod licet Chauvi? Die Perspektive aufs Nationale, die sich das "Kompetenzzentrum für österreiche Kunst" so fürsorglich zugute hält, ist ja doch, sollte man sich um Definitionen und Zuschreibungen für jetzige und künftige Ausstellungshäuser sorgen, ziemlich prekär. Alle anderen Kriterien für die museologische Bestimmung sind besser, weil weniger in Zweifel gezogen: das mediale zum Beispiel - das nach Gattungen trennt und Pinakotheken oder grafische Sammlungen hervorbringt -, das chronologische - das das Mittelalter oder die Moderne als Zuständigkeitsbereich bestimmt -, oder das disziplinäre - das Geschichtsmuseen, Kunstgeschichtsmuseen oder ethnologische Museen festlegt. Das Belvedere mag sich solchen Kriterien in der Tat nicht recht fügen. Bleibt, wie immer, wenn man nicht weiter weiß, das Nationale. Und bleiben um so lauter die Verlautbarungen. Das Belvedere zwar nicht als Kompetenz-, aber als Performanzzentrum fürs Österreichische. Vor 200 Jahren diskutierte man in Wien die Frage, ob es tunlich sei, ein Wörterbuch herauszubringen, das sich speziell den hiesigen Sprachschöpfungen widmen sollte. Schließlich sei vor Ort "die Liebe zu dem Vaterländischen" weit verbreitet. Man nannte das Unternehmen übrigens "österreichisches Idiotikon". Womöglich wäre das der Begriff bis heute.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Ihre Meinung

3 Postings in diesem Forum
ACH METZGER
thomas trenkler | 28.01.2008 01:53 | antworten
ach metzger, du bist in deinem hass mittlerweile derart blind, dass du im "standard" nicht einmal mehr die über dem text stehende grafik siehst, zu der ich ein paar zeilen der erklärung schrieb. auf dieser ist deutlich zu erkennen, dass das KHM 2007 die meisten besucher hatte. dass das KHM das ranking anführt: das ist nichts außergewöhnliches. dass das belvedere mittlerweile fast ähnlich viele besucher hat: das ist neu. und deshalb habe ich es berichtet. gruß nach karlsruhe, thomas trenkler
Idios, -a, -on: eigen
Ingeborg Knaipp | 28.01.2008 10:32 | antworten
Ein Idiotikon ist, wie Philologen wohlbekannt, ein Dialektwörterbuch. Idios heißt eigen, ein Idiot ist also einer, der sich eigen verhält, der von anderen nicht verstanden wird. Zweite Bedeutung des Wortes ist: privat. Wenn Österreicher ein Idiotikon herausbringen, sind sie deswegen keine Trottel oder Hinterwäldler, sondern Germanisten, die möglicherweise auch ein paar Fachausdrücke beherrschen, und, wie es ihrer Disziplin guttut, auch vom Altgriechischen etwas verstehen. Das projekt eines österreichischen Idiotikons erscheint mir umso bemerkenswerter, als es vor 200 jahren begonnen worden sein soll, also 1807, bevor noch die Germanistik als Wissenschaft etabliert war. Das waren wohl echte Pioniere, die viel eher Respekt verdienen als mäßig lustige Wortspiele.
hiesige Sprachschöpfung
Walter Stach | 29.01.2008 12:34 | antworten
"Vor 200 Jahren diskutierte man in Wien die Frage, ob es tunlich sei, ein Wörterbuch herauszubringen, das sich speziell den hiesigen Sprachschöpfungen widmen sollte. Schließlich sei vor Ort ..." - Bitte, was heißt "vor Ort"? Waren etwa die Türken 1529 und 1683 vor Ort? Und sind viele heute im Ort?

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