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Roman Signer - Werke aus der Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof und Leihgaben: Der mit dem Feuer spielt

Man kann über Friedrich Christian Flick sagen, was man will. Zum Beispiel, dass es eher nicht der selbstlose Philanthrop in ihm war, der ihn seine Sammlung an den Hamburger Bahnhof ausleihen ließ. Dass es also nicht sein gemeiner Bürgersinn, sondern vielmehr sein gemeiner Geschäftssinn war, der ihn dazu bewog, seine Schätze mit den musealen Weihen zu versorgen, welche dadurch im Wert wohl auch eher zu steigen als zu fallen versprechen. Womit Flick sich bei der Vermehrung seines Kunst-Kapitals als derselbe kühle Rechner, derselbe umsichtig planende Stratege erweist wie schon bei der Kapital-Anlage: Da setzt jemand ausschließlich auf Bewährtes, kunsthistorisch Approbiertes, das Wertbeständigkeit garantiert, und verbrennt sein Geld nicht bei Spekulationen mit Unkanonischem oder allzu Zeitgenössischem und damit womöglich Zukunftslosem. Dieser Mann liebt jedenfalls das Hasard nicht. Ganz im Gegensatz beispielsweise zu Roman Signer, dem Schweizer Solitär, auf den beim neuesten Einblick in die Sammlung Flick zurzeit der Fokus gelegt wird. Denn der ist, obwohl bereits siebzigjährig, noch immer vor allem Kind, und Kinder pflegen hauptsächlich zu spielen. Genauer betreibt Signer meistenteils eine Art Synthese aus absurdem Spiel und fröhlicher Wissenschaft, die sich, so möchte man vermuten, wohl seiner künstlerischen Sozialisation in den sechziger Jahren verdankt, als einerseits Neo-Dada virulent wurde und andererseits etliche Künstler begannen, sich die Rolle eines Wissenschaftlers anzuverwandeln, um - einmal mehr - echte gesellschaftliche Relevanz für sich zu behaupten; jedenfalls hoben beide Strömungen darauf ab, die Kunst wieder mit dem Leben zu vermählen. Und so gefällt sich auch Signer darin, durchwegs banale Gegenstände - Gummistiefel, Kajaks, oftmals Dinge, die einen persönlichen Konnex aufweisen - in sein ureigenes System Kunst einzuspeisen und sie dort den tollsten Versuchsanordnungen auszusetzen: Da lässt er sich von einem Auto in einem dieser Kajaks, unmittelbar neben dem wirklichen Wasserweg, über die Uferstraße ziehen oder übt, in einem anderen Kajak sitzend, langsam "Schiffchen versenken" oder schießt sich die Pudelmütze mit einer daran befestigten Rakete vom Kopf oder jagt eine weitere Rakete, die nur noch an ihrem Kondensstreifen erkennbar ist, quer durch den Wald. Solche aberwitzigen Spiele bzw. Experimente treibt Signer also, und es sind allesamt Versuche, deren Ausgang durchaus ungewiss ist. Und diese Ungewissheit lässt es dem Künstler auch ratsam erscheinen, seine abenteuerlichen Aktionen mit ihrem eigenwilligen poetischen Charme - hier wird die Welt mit den Methoden der Wissenschaft wieder verzaubert - nicht vor Publikum, sondern für die Kamera durchzuführen. Doch wie sehr seine Kunst tatsächlich der Aufzeichnung bedarf, zeigt sich dann erst im unmittelbaren Vergleich zwischen den ausgestellten Objekten, den Requisiten der Kunst-Stücke, und den Dokumenten, den Fotoserien und Filmen: hie tote Dinge, die stummen und irgendwie verloren wirkenden Akteure vergangener Spektakel, und dort die beredten, lebendigen Zeugnisse der Verwandlung jener Dinge, die sich erst in der Zeit vollziehen konnte. Nicht umsonst hat man Signers metamorphotische Arbeiten schließlich "Zeitskulpturen" genannt. Der Zeit ihre Kunst. Der Kunst ihre Freiheit - zum Beispiel von allzu rationalen, einsinnigen Kalkülen.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Roman Signer - Werke aus der Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof und Leihgaben
30.09.2007 - 27.01.2008

Hamburger Bahnhof - Nationalgalerie der Gegenwart
10557 Berlin, Invalidenstraße 50- 51
Tel: +49 30 266424242
http://www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/hamburger-bahnhof/home.html
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr10-18, Do 10-20, Sa, So 11-18 h


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