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Peter Sandbichler: Wiederholende Systeme

In der Galerie Grita Insam sind derzeit die jüngsten Skulpturen des in Wien lebenden Tiroler Künstlers Peter Sandbichler zu sehen. Während in seinen früheren Arbeiten, den "Tensegrities", Gegenstände des Alltags wie Kleiderständer oder Spinde mittels Gurten in kristalline, schwebende Körper verwandelt wurden, geht es diesmal um Bildhauerarbeit und brisante politische Themen. So ist im Eingangsbereich der Galerie ein fast drei Meter hohes Relief der burmesischen Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zu sehen, die als Führerin der Demokratischen Nationalpartei mit kurzen Unterbrechungen seit zwölf Jahren von der Militärjunta unter Hausarrest gestellt ist. Sandbichler setzt das Porträt aus neun lackierten metallenen Regalböden zusammen, aus denen die Züge des Gesichtes mit dem Hammer getrieben sind. Eine andere Aussage entsteht, wenn Sandbichler, die getriebenen Regalböden wieder als Regal zusammensetzt und so das Bild fragmentiert, wie bei der 2006 ermordeten russischen Journalistin Anna Politkovskaja. Um Funktionalisierung, Katalogisierung von Gesehenem, Gelesenem und deren Vergessen geht es in dieser Werkgruppe, die Sandbichler als "Archive" bezeichnet. Virtuelle und reale Archive dienen nicht zuletzt der Ablage von kollektivem Wissen und Gedächtnis. Zugleich kritisiert der Künstler das Vergessen und die Untätigkeit der Weltgemeinschaft angesichts von Menschenrechtsaktivisten, die ihr Engagement mit dem Leben bezahlen. Er erweist ihnen in seinen großformatigen Bildskulpturen Referenz, indem er ihre Gesichtszüge mit dem Hammer ins Metall und somit in unser Bewusstsein schlägt. Nicht nur inhaltlich, sondern auch materiell Vorgefundenes, wie Farb- oder Gießharzreste – objets trouvés – verarbeitet Sandbichler in seinen Skulpturen. Bei den Metallarbeiten wirkt diese Benütztheit manchmal etwas irritierend, passen doch die Regalböden bei dem Porträt von Aung San Suu Kyi nicht auf Stoß zusammen, vor allem im Vergleich zu dem auf der gegenüberliegenden Wand hängenden, perfekt ausgeführten Reliefportät des 2007 in der Türkei ermordeten armenischen Journalisten Hrant Dink. Der Journalist lächelt hier in islamischem Grün, der Farbe seiner Mörder, von der Wand. Sandbichler oszilliert in seinen Skulpturen zwischen Fläche und Dreidimensionalität, zwischen Bild und Skulptur. Der Wechsel zwischen beiden Medien hat Sandbichler immer wieder in seinen Arbeiten beschäftigt, genauso wie das Bauen von modularen Systemen, wie etwa seine Sperrholz- und Gießharzobjekte, die sich als serielle Aneinanderreihung von in der Mitte durchschnittenen rhombenartigen Körpern präsentieren. Letztere werden ebenfalls bei Grita Insam gezeigt und sind ein kontemplativer Kontrapunkt zu den politisch konnotierten, aufwühlenden Arbeiten.
Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Peter Sandbichler
11.01 - 23.02.2008

Galerie Grita Insam
1010 Wien, An der Hülben 3
Tel: + 43 1 512 53 30, Fax: +43 1 512 5330 15
Öffnungszeiten: geschlossen


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