Werbung
,

Jeff Wall - Belichtung: Wallpaper

Die Deutsche Guggenheim, also die Berliner Werbeabteilung der Deutschen Bank, feiert ihren zehnten Geburtstag und beschenkt sich anlässlich dieses schönen Jubiläums gleich mit vier neuen Arbeiten von Jeff Wall. Man gönnt sich ja sonst nichts. Dass die Wahl dabei auf den kanadischen Fotografen fiel, zeugt von wahrem Feingefühl - man will es sich bei einer solchen Gelegenheit schließlich mit niemandem verderben -, denn Wall ist bei Publikum und Kritik gleichermaßen wohlgelitten: Das Publikum schätzt ihn für seine großen, bunten Bilder, die obendrein genauso magisch leuchten wie diese an jeder Bushaltestelle lockenden Ausfallstore zur Reklamewelt, weswegen sie auch einen ähnlich unwiderstehlichen Sog ausüben; die Kritik schätzt ihn wiederum hoch, weil sie ihren Scharfsinn von seinen erklügelten Kompositionen und verborgenen kunsthistorischen Referenzen herausgefordert sieht und es ihm mit angemessenen interpretatorischen Meisterleistungen vergelten möchte; und zu guter Letzt schätzt ihn auch noch der Sammler überaus wert, weil der ohnehin Hochgehandelte durch seine überschaubare Produktion - 150 Fotos in 30 Jahren - das Angebot erheblich verknappt und daher jedes Bild zu einem wirklich raren (Kultur-)Gut macht. Hat man eine - oder eben vier - dieser Preziosen ergattert, lacht folglich das Herz des deutschen Bankers. Da trübt es dann auch die Freude kaum, dass drei Viertel der in Auftrag gegebenen Arbeiten, die hier mit einer Handvoll weiterer, vom Künstler persönlich ausgesuchten Werke zusammengespannt wurden, sozialkritische Themen behandeln - sofern man das bei eindeutig auf Vieldeutigkeit angelegten Bildern überhaupt statuieren kann. Denn die, allem Anschein nach, Krieg spielenden Kinder, herumlungernden Arbeitslosen und einen trostlosen Garagenflohmarkt abhaltenden Reihenhausbesitzer fügen sich nicht, wie man anfänglich vielleicht vermuten könnte, zum frechen Danaergeschenk, zu einem subversiven Akt des Engagements, der die Verheerungen durch die postindustrielle, globalisierte Wirtschaft anzeigen und die Profiteure derselben solcherweise mit anklagen würde; vielmehr gereichen diese Mißstände Wall bloß zum Vorwand fürs Bildermachen, dafür, die - notabene inszenierte - Tragik in ansehnliche Form zu bringen, sie ins Prokrustesbett des Bildgevierts zu zwingen und den markanten Vertikalen, Horizontalen und vor allem Diagonalen zu unterwerfen: Letztlich ist Wall also als später Abkömmling des 19. Jahrhunderts - in dem er auch seine Vor-Bilder etwa bei Delacroix und Manet fand - zu betrachten, jenes 19. Jahrhunderts, das einer Kunstreligion huldigte und im ewigen Reich der Schönheit Erlösung vom irdischen Ungemach suchte. Von geradezu emblematischer Bedeutung dürfte daher das vierte Foto sein, in dem es Wall wie von Zauberhand gelingt, dem nichtswürdigen Ort eines Kühlhauses die Anmutung einer ehernen Kathedrale zu verleihen, in die sogar der Himmel einzubrechen droht. Eine Form der Transsubstantiation, die schon fast an ein Wunder grenzt. Trotzdem würden wir uns fürs nächste Jubiläum der Deutschen Guggenheim als Gratulanten so jemanden wie beispielsweise Hans Haacke wünschen. Der hat schließlich schon einmal bewiesen, dass er ein Ohr für die ziemlich weltlichen Sünden der Deutschen Bank hat. Von so einem wäre die Absolution jedenfalls garantiert weniger leicht zu bekommen.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Jeff Wall - Belichtung
03.11.2007 - 20.01.2008

Deutsche Guggenheim Berlin
10117 Berlin, Unter den Linden 13 - 15
Tel: 0049 (0) 30 20 20 93 0, Fax: 0049 (0) 30 20 20 93 20
Email: berlin.guggenheim@db.com
http://www.deutsche-guggenheim-berlin.de


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: