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Die latente Magie der Zwei

Die Idee: Nackte Marionetten oder Marionetten in Reizwäsche. Absurd? Funktioniert nicht? Persiflage? - Was zeigen Puppen (als Zweitbild, Miniaturen von Menschen) anderes als Schauspieler, wenn sie in die gleiche Rolle schlüpfen? Wie würde die gleiche Figur wirken, die einem Computerprogramm entstammt? Wie anders ist das Gleiche, als Spielart der Zwei, im anderen Medium?! Vorhang auf! Der Schauspieldirektor gibt aus dem Zuschauerraum Anweisung für das Casting für das Stück Bastien und Bastienne. Und auf die Bühne trippeln, schweben, stolpern abgezählt und numeriert zehn Marionetten wie ihr Schnitzer sie schuf: Nackt, aus Holz, unlackiert, mit mechanischen Scharnieren und Gelenken, gesichtslos, gezogen an ihren silbrig im Schweinwerferlicht aufblitzenden Kunststoffschnüren. Schauspieler pur, ohne Rolle, ohne Maske, dennoch mit persönlichen Befindlichkeiten: Groß und schlacksig, zackig oder geschmeidig, selbstsicher, orientierungslos, aufgeregt - nackt und bloß, eher wie Adam und Eva vor Gott, dem Herrn, mehr oder weniger sich ihrer Lage bewußt. Der Kunstgriff und Geniestreich von Regisseur Thomas Reichert besteht in der Verquickung der beiden Einakter zu einem kompakten Stück, dem Schäferstück, das auf J.-J. Rousseau zurückgeht und der Komödie rund um die Animositäten im Theater-Kunstbetrieb zwischen Qualität und Quoten. Das Stück ist amüsant inszeniert. Das aktive Wechselspiel zwischen den Marionettenfiguren und den Schauspielern bzw. SängerInnen gibt eine besondere emotionale Note. In einer Doppelrolle agiert Buff, der Assistent des Schauspieldirektors, der auch als wahrsagender Zauberer Colas schicksalhaft bei den Marionetten Bastien und Bastienne interveniert. Während Bastien und Bastienne um die gegenseitige Liebe bangen, bricht der konkurrierende Streit der beiden engagierten Sängerinnen (Madame Herz, Mademoiselle Silberklang) um die erste Besetzung Bastiennes und den Premieren-Auftritt aus..., der schließlich zugunsten der reinen Hingabe an die Kunst gelegt werden kann. So erst- und einmalig es war, daß im Mozartjahr 2006 eine Zusammenarbeit zwischen Salzburger Festspielen und Salzburger Marionettentheater möglich wurde, so schlagend war der Erfolg beim Publikum, sodass eine Wiederaufnahme ins Festspielrepertoire 2007 erstrebenswert - und letztlich ebenso erfolgreich, d.h. inzwischen ausverkauft - war. Soweit die Zwei in Form der Zusammenarbeit und in der Wiederholung. Die Zwei steckt in der Verbindung der beiden Kunstsparten Puppenspiel (Marionetten) und Schauspiel (Sänger, Akteure), wie in der Verschränkung zweier Stücke zu einem. Die Zwei spiegelt sich in dem Paar, das wesentlich zusammengehört, körperlich getrennt ist, die beiden Namen wie gegenseitiges Echo klingen, die Zwei steckt in der gnadenlosen Konkurrenz zwischen den zwei (identen) Bastienne-Marionetten und in deren Verdopplung in Form von zwei Opern-Sängerinnen und da ist das 2er-Team Schauspieldirektor - Buff (alias Colas). Dieses Kombinatorische häuft sich rund um das Stück ohne allzu vordergündig zu sein. Nicht einmal Duette spielen eine große Rolle. Aber man kann sich diesem 2erPrinzip auch nicht ganz entziehen und es setzt sich fort in Assoziationen, Reflexionen und Interpretationen. Eine Aufführung hat unmittelbar Verknüpfung mit einer anderen. Dies zeigt die Geschichte der beiden Stücke vor und nach Mozarts Vertonung. Und als Querverbindung fällt anläßlich des Gedenkens an Elvis Presley die Szene im Film G.I. Blues (1960) auf, wo dieser kurzerhand beim Kasperltheater einspringt und live mit der Handpuppe Gretl flirtet, prompt mit dem Song "Muss i denn" ... Can`t you see - I love you Please don`t break my heart in two There`s no strings upon this love of mine It was always you from the start Treat me nice, Treat me good Treat me like you really should `Cause I`m not made of wood And I don`t have a wooden heart.
Mehr Texte von Aurelia Jurtschitsch

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