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Douglas Gordon - Between Darkness and Light: In der Bilderhöhle

Das Museum als Mausoleum, als Asservatenkammer der Kunst, in die die aus dem lebendigen gesellschaftlichen Zusammenhang gerissenen Dinge eingelagert, nein eingesargt werden, um dort von nun an - in einem Zustand des fortwährenden Dazwischen, also gleichsam untot - ihr zweites, ewiges Leben zu fristen: Selten wohl wurde dieser alte Topos - sei`s gewollt oder nicht - so anschaulich in Szene gesetzt wie gerade in Wolfsburg, wo man anlässlich der Personale von Douglas Gordon das hiesige Kunstmuseum kurzerhand in eine einzige, riesige Black Box verwandelt hat. Aber genauso selten erschiene ein solch fundamentaler (innen)architektonischer Eingriff derart adäquat wie bei dem mittlerweile hochdekorierten Schotten (Turner Prize 1996, Retrospektive im MoMA 2006), der sich Anfang der 90er Jahre mit dem Schlachtruf: "Das Kino ist tot!" anschickte, das nämliche Dispositiv zu zerschlagen und aus den aus dieser Dekonstruktion geborgenen Trümmern den (Video-)Film neu erstehen zu lassen. Folglich oszilliert Gordons Oeuvre kontinuierlich zwischen den extremen Polen von Leben und Tod - oder allgemeiner: zwischen Stasis und Bewegung, also den beiden Konstituenten des Films bzw. seiner Wahrnehmung -, was allerdings nicht nur auf der strukturellen, sondern auch auf der inhaltlichen Ebene seinen Niederschlag findet. Denn der Künstler wählt mit Vorliebe solche Sujets, denen - wenn auch manches Mal bloß vorgeblich - etwas Morbides oder Moribundes eignet, oder er führt uns zumindest Menschen vor, die, wie kurzzeitig auch immer, ver-rückt, dezentriert wurden, sich durch einen Prozess der Transgression außerhalb ihrer natürlich angestammten Grenzen versetzt sehen; kurzum, Gordon findet oder ersinnt - je nachdem, ob er auf objets trouvés zurückgreift oder eigenes Material verwendet - überaus schlagende Bilder für den Zustand der Uneindeutigkeit, der Ambivalenz, des Entweder-oder von Sein und Schein: so etwa in "Hysterical" (1994/95), einem appropriierten Dokumentarfilmchen von der vorigen Jahrhundertwende, in dem eine vermummte Patientin unter der suggestiven Beihilfe von zwei Ärzten einen hysterischen Anfall erleidet oder eben simuliert (womit Gordon auf maliziöse Weise auch den männlich dominierten Hysterie-Diskurs von damals mit ausstellt oder eben erledigt), oder in "Play Dead: Real Time" (2003), wo er einen Elefanten belauernd umkreist und dabei beobachtet, wie der sich auf einen unhörbaren Befehl hin zuerst tot und dann wieder auf die Beine stellt. Wie dem auch sei, Gordon spricht zudem über den scheinhaften Inhalt - durchaus selbstreferentiell - die ontologische Frage an, die, man erinnere sich, bereits Platon gegen die Bilder ins Feld geführt hat. Und die Berufung auf die berühmte Höhlenmetapher ist es letztlich auch, die den größten Einwand gegen diese singuläre Black Box-Inszenierung bietet, denn ebenso wie in Platons Kaverne die Menschen von den flackernden Schatten getäuscht und von der Sonne der Wahrheit ferngehalten werden, wird einem hier die Konzentration auf das einzelne Werk insoweit erschwert, als von überallher die Bilder auf einen eindrängen, mit der Folge einer unweigerlichen Zerstreuung der Aufmerksamkeit. Und das, obwohl man hier nicht festgebannt ist, sondern sich frei bewegen kann, ja sogar muss - die Zerschlagung des Kino-Dispositivs! -, gilt es doch, die semitransparenten Leinwände und die somit erreichten doppelten, aber seitenverkehrten Projektionen in all ihren Aspekten in Betracht zu ziehen, ein Bewegungsdiktat, das jedoch dazu führt, dass einem auch die anderen Bilder unausgesetzt ins Auge zu fallen drohen, was schließlich den unheimlichen Eindruck bewirkt, von den Simulakren gleichsam umstellt zu sein. Dabei wäre doch eine partielle Desillusionierung, wenn schon kein Durchbruch (durch die Bilder) möglich, könnte man sich bloß auf das dekonstruktiv-kritische Potential der Arbeiten einlassen, die das cineastische Blendwerk der Bilder und Töne aufzuklären suchen: siehe etwa die Hitchcock-Anleihe "24 Hour Psycho" (1993), wo durch das Fortlassen der Tonspur und die - bei Warhol abgeschaute - taglange Dehnung jede Art von Suspense entfällt, die Wirkung der Montage aufgehoben, der glatte Fluss der Bilder unterbrochen und der Akzent mithin mehr auf den einzelnen Kader gelegt wird, ja Vergangenheit (die Erinnerung versagt) und Zukunft (völlig offen und richtungslos) zu einer schier endlosen Gegenwart kondensieren. Womit wir wieder am Anfang wären.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Douglas Gordon - Between Darkness and Light
21.04 - 12.08.2007

Kunstmuseum Wolfsburg
38440 Wolfsburg, Porschestraße 53
Tel: +49(0) 5361- 26690, Fax: +49(0) 5361- 266966
Email: info@kunstmuseum-wolfsburg.de
http://www.kunstmuseum-wolfsburg.de
Öffnungszeiten: Di-So 11-18 h


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