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Von Houdon bis Rodin. Französische Plastik des 19. Jahrhunderts: Pop und Publikum

Ein sicherer Seismograf der Überalterung Mitteleuropas sind Ausstellungen. Während sich immer seltener Präsentationen in einer Besucherstruktur zeigen, die der berühmten Zwiebel entspricht - die Gursky-Schau im Münchner Haus der Kunst war so ein Fall -, gibt es Veranstaltungen, da man als ein Interessent, der die Hälfte des Lebens auch schon absolviert hat, den Altersdurchschnitt mit Fug halbiert. Manchmal, etwa wenn sie in Klagenfurt den Nötscher Kreis ausstellen, ist das nicht weiter tragisch. Bisweilen aber doch, und es zeigt sich, dass die Pop-Kultur, die ihrerseits langsam dem Sein zum Tode folgt, wenn nichts anderes, so zumindest die gründliche Desavouierung des Kanons hinterlassen hat. Manche Epoche wird nur noch von einem Publikum goutiert, das lange vor der Nivellierung von High und Low zu denken angefangen hat. Dieser Mechanismus hat leider auch die wunderbare Ausstellung der Kunsthalle Karlsruhe erwischt, die französische Skulpturen des 19. Jahrhunderts zeigt. Da hilft auch der sicherlich marktgängig gedachte Titel "Von Houdon bis Rodin" nichts. Spätestens beim ersten Namen fallen dem Zeitgenossen die Jalousien herunter, und übrig bleibt die Rentnerband, die vor den Gipsen und Marmoren zum Kniefall aufspielt. Irgendwo zwischen Verzückung und Nichterscheinen suchen sich die Exponate also ihre Adressaten. Charles Cordier zum Beispiel hat die Kombination verschiedener Materialien und Steine, wie man sie bevorzugt von Klingers "Beethoven" kennt, für die Kennzeichnung von Hautfarben verwendet. Aber nicht das Carrara-Weiß des musikalischen Genies kommt zum Tragen, sondern die dunkle Bronze eines Sudanesen. Ganz irdisch geht es weiter mit Jean-Baptiste Charpeaux` Terrakotta-Porträts eines Chinesen und einer Afrikanerin in detailliertem Konterfei und schonungsloser Darstellung der täglichen Mühen. Wenn derlei ein BritArtist vorführt, singt man ihm Hymnen auf seine postkoloniale Sensibilität. Wenn es im 19. Jahrhundert, dem meistunterschätzten von allen, passiert, findet man darin nur Ethno-Ramsch. Vielerlei Entdeckungen wären zu machen unter den gut 150 Ausstellungsstücken. Allein Honoré Daumiers Karikaturen von Parlamentsabgeordneten in 3-D sind einen Besuch wert. Auch wer Rodin mag, wird bedient. Gäbe es seine 13 Skulpturen in einer Einzelschau, die Bude wäre voll. Schließlich hat er seine "Bürger von Calais" einst ohne Sockel auf die Erde gestellt. Das ist dann nämlich schon fast Pop.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Von Houdon bis Rodin. Französische Plastik des 19. Jahrhunderts
28.04 - 26.08.2007

Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
76133 Karlsruhe, Hans-Thoma-Straße 2-6
Tel: +49 721 926 33 59, Fax: +49 721 926 67 88
Email: info@kunsthalle-karlsruhe.de
http://www.kunsthalle-karlsruhe.de
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 h


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