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Skulptur Projekte Münster 07: Idyll und Immobilie

Das präsenteste Stück Kunst bei den Skulptur Projekten Münster stammt von Thomas Schütte. Zwanzig Jahre nach der Erstpräsentation feiert seine Kirschensäule die fröhlichsten Urstände. Im Westfälischen Landesmuseum, wo es einen Rückblick auf das im Dekadenabstand und nunmehr viermal Geleistete gibt; auf einer Grünanlage, wo Dominique Gonzalez-Foersters Installation darin besteht, ausgezeichnete Objekte der bisher stattgefundenen Skulptur Projekte im Kleinformat Revue passieren zu lassen; auf jenem Innenstadtplatz, wo sie seinerzeit aufgestellt worden ist und wo Schütte seinen jetzigen Beitrag gleich nebenan platziert hat, um sehr explizit auf sein Signaturwerk Bezug zu nehmen: Gleich dreifach ist das poppige Paar Steinobst auf seiner postmodernen Stele zu sehen, eine Ausstellung in der Ausstellung. Die Skulptur Projekte Münster 2007 inszenieren sich als ihr eigener Kanon. Der Plan zum Parcours führt ganz selbstverständlich die Relikte der früheren Veranstaltungen mit auf, so dass die Zahl von gerade gut dreissig aktuellen Statements problemlos verdoppelt wird, um stadtfüllend agieren zu können. Gonzalez-Foerster zeigt Münster als Minimundus des skulptural Menschenmöglichen. Bruce Naumans in die Erde gegrabene und also auf den Kopf gestellte Pyramide entstammt einer Idee, die für die erste Ausgabe anno 1977 geboren worden war, aber erst jetzt zur Ausführung kam. Und vieles, zum Beispiel Guillaume Bijls skurrile Ausgrabungsstätte, deren archäologische Arbeit einem Kirchturm samt Wetterhahn gilt, verströmt deutlich den Atem der Achtziger. Wenn es so etwas wie eine Dekadenlogik in der Kunst gibt, dann konnte man ihr, schließlich schwört der Turnus selbst auf sie, in Münster habhaft werden. Die Siebziger, das war Minimal, das war strenge Form und Orthodoxie als eine Art pädagogisches Projekt. Die Achtziger, das war Site Specifity und das Angebot an die Stadt, sich ganz organisch mit den Objekten zu umgeben. Die Neunziger, das war Dienstleistung und die seinerzeit sehr penetrante Identifizierung der Bewohner, deren Radfahrertum doch arg ins Ideologische ausschlägt, mit dem, was sie nunmehr für ihre ureigene Kunst hielten und damit provinzialisierten. Das neue Jahrtausend, das ist Selbst-Historisierung. Die Skulptur Projekte sind angekommen im Status des Global Players, indem sie ihre Zuständigkeit für die urbane Ordnung einer deutschen Mittelstadt hochrechnen zur Diskursformation. Natürlich war das einmal klein und idyllisch und Sandkastenspiel. Doch jetzt ist es gerade darin das Modell einer weltweit agierenden Ästhetik. Kunst in der Gegenwart ist der Weg von der Idiosynkrasie zum International Style. Indem sie Rückschau auf sich selbst halten, fordern die Skulptur Projekte Münster diesen Weg für sich ein als ihre ureigene Immobilie.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Skulptur Projekte Münster 07
16.06 - 30.09.2007

Skulptur Projekte
48143 Münster, Domplatz 10
Tel: 0049 (0)251-5907 252, Fax: fax +49(0)251 5907-210
Email: mail@skulptur-projekte.de
http://www.skulptur-projekte.de/


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
plakativ
- | 19.06.2007 11:09 | antworten
Die Arbeiten in Münster 2007 sind einfach nur plakativ. 1997 war die Skulptur Projekte Münster einfach ein hervorragendes Projekt, mit sehr spannenden Arbeiten und einem wunderbargemachten Katalog! Besser als die damalige Documenta, von der ich eigentlich nur noch den Namen des K u r a t o rs (ich kann das Wort eigentlich nicht mehr hören) oder wars doch einmal eine K u r a t o r I N weiß. oder doch nicht..

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