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Das schwarze Quadrat. Hommage an Malewitsch: Die Quadratur der Kunst

Hier ist er nun, der Kubus: Groß, schwarz und geheimnisvoll steht er da, in unanfechtbarer Erhabenheit über der Substruktion der Hamburger Kunsthalle aufragend und sich dabei gar prächtig mit dem streng modernistischen White Cube des Annexbaus von O.M. Ungers ergänzend. Der "Cube Hamburg", wie er jetzt harmlos-lokalstolz heißt, scheint letztlich also doch noch eine (temporäre) Heimat gefunden zu haben, nachdem er zuvor als Kaaba-Paraphrase für viel Terror-Angst und Schrecken bei skrupulösen Kulturpolitikern sorgte und man ihn deswegen in Venedig und Berlin wieder des ausgesuchten Platzes verwies. Und mit seinen mystischen Obertönen bildet Gregor Schneiders unzugänglicher Ur-Raum auch einen adäquaten Schlussakkord zu einer im Ganzen recht hochgestimmten Veranstaltung, die den Wirkungen von Malewitschs epochemachender Setzung des schwarzen Quadrats nachspürt, das ja ebenfalls nicht völlig frei von transzendenten Ansprüchen war, hing es doch bei seiner ersten Präsentation auf der "Letzten Futuristischen Ausstellung 0,10" - 1915 in Petersburg war das - ausgerechnet im eigentlich den Ikonen vorbehaltenen Herrgottswinkel. Die Hamburger Schau vermag zwar - aus konservatorischen Gründen - nicht mit dem originalen Quadrat aufzuwarten, versammelt dafür aber neben der ersten von drei Variationen dieses Archetyps der gegenstandslosen Malerei mit dem "schwarzen Kreis" und dem "schwarzen Kreuz" (alle drei 1923) gleichsam dessen Metamorphosen, denn als dynamische Entität befindet sich das Quadrat in ständiger, vibrierender Bewegung im unendlichen Raum, der schließlich durch den oft vergessenen weißen Hintergrund symbolisiert wird. Und so kam es also, dass diese abstrakte Urform nicht nur - bis zu Malewitschs Bekehrung - ungebremst durch die suprematistische Bildwelt flog, die als Sphäre der gegenstandslosen Empfindung die materialistisch-logische Dingfixiertheit überwinden helfen sollte, sondern auch noch vielen westlichen Künstlern vorschwebte, die als Spätgeborene die Erfindungen der ersten Avantgarde auszubuchstabieren hatten. Die Form der Auseinandersetzung reicht dabei von der Verleugnung bis zur (ironischen) Verehrung des Über-Vaters, also namentlich von Yves Klein, der viel Mühe darauf verwandte, eine Genealogie zu verschleiern, um bei seinem Vorstoß in die Zone des Immateriellen als absoluter Pionier zu gelten (und dessen waghalsiger "Sprung ins Leere" so auch als Versuch des Vorsprungs betrachtet werden darf), bis zu Jean Tinguely, der sich in seiner 1954 einsetzenden Serie der "Méta-Malevitchs" das Vorbild ganz offen aneignet und in die Kinetik überführt. Im Grunde dominiert jedoch eine detachierte Herangehensweise, so vor allem bei den amerikanischen Minimalisten (Judd, Andre, Sol LeWitt, Ryman), die die geometrischen bzw. stereometrischen Formen von Quadrat und Kubus - der sich auch bereits in Malewitschs dreidimensionalen, rein weißen "Architektonen" findet - wegen ihrer Neutralität und Freiheit von übergeordneten Bedeutungen favorisieren, um damit vornehmlich physische Tatbestände und folglich Immanenz statt Transzendenz herzustellen. Eine andere und vielleicht letztgültige Art von Immanenz wiederum entdeckt das Künstlerkollektiv IRWIN in seiner Installation "Corpse of Art", in der es das von Photographien her bekannte Setting der Aufbahrung Malewitschs im suprematistischen Sinne von allen illusionistischen Verirrungen säubert und durch diese radikale Übertreibung den eigentlich jeder künstlerischen Utopie eingeschriebenen Totalitarismus und Dogmatismus anschaulich oder vielmehr spürbar macht: Es fröstelt einen nämlich merklich in diesem Ambiente, und das ist ein äußerst unschöner Hinweis darauf, dass die Avantgarde bei ihrem Werben ums Leben insgeheim auch mit dem Tode geliebäugelt hat.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Das schwarze Quadrat. Hommage an Malewitsch
23.03 - 10.06.2007

Hamburger Kunsthalle
20095 Hamburg, Glockengießerwall
Tel: ++49 (0) 40 428 131 200, Fax: ++49 (0) 40 428 54 34 09
Email: info@hamburger-kunsthalle.de
http://www.hamburger-kunsthalle.de
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 h, Do 10-21 h


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