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Der Sex grüner Slipper

Das Dorotheum geht mit einem entsprechend erweiterten Angebotsreigen in die zweite Runde der Auktionen zum 300-jährigen Jubiläum. Hätte Peter Wolf, Dorotheum-Experte für Gemälde alter Meister, neben dem entsprechenden Budget auch die Wahl, ja sie fiele in der Sektion Klassischer Moderne ganz klar auf das Titellos: über den gesamten Katalogumschlag erstreckt sich die "Liegende Frau mit grünen Schuhen", mit all ihrer schroffen Erotik. Subtilität ist keine der Eigenschaften dieser 1917 und damit ein Jahr vor dem Tod des Künstlers ausgeführten Gouache. Aber dann wäre es wohl auch kein charakteristisches Werk Schieles, der Anfang des 20. Jahrhunderts Nacktheit und Erotik aus dem bisherigen Darstellungsumfeld der Mythologie oder historischen Szenerien isolierte und eine eigene Motivwelt schuf. Entsprechend den gesellschaftlichen Konventionen ist das dafür zur Verfügung stehende Vokabular spärlich, Pornografie mag auf den ersten Blick das einzig treffende sein. Aber dieser Terminus lässt die feinen Töne außer Acht, die in dem Spiel zwischen bedeckten und unbedeckten Körperteilen verborgenen Nuancen, akzentuiert durch beschnittene Partien. "Als einer der ersten europäischen Künstler enthüllte Schiele hier das intimste Geheimnis des weiblichen Körpers - konträr zur früheren, anatomisch genauen Abbildung des weiblichen Genitals durch Courbet, in einer nie gekannten künstlerischen Direktheit", schwärmt Wolf. Er würde "das Bild gerne als spektakulären Kontrast meiner Sammlung Alter Meister, Tiffany-Lampen, Barockmöbeln und gotischen Skulpturen einverleiben". Neben mangelndem Budget vermutet er aber eine weitere Hürde, "meiner Lebensgefährtin wie den meisten Frauen würde Schieles erotische Offenbarung missfallen, sie würde dieses Bild kaum in meiner Wohnung akzeptieren". Zugpferd zum Tageswert Eines ist gesichert, Schieles Liegende ist die heimliche Königin des aktuellen Auktionsangebotes und eröffnet insofern auf repräsentative Weise den zweiten Jubiläumsreigen. Am 29. Mai kommt das knapp 30 mal 45 cm große Blatt in der Sektion Klassische Moderne zur Versteigerung. Das Geheimnis um die Erwartungen will man bis zum Aufruf von Lot 8 wahren, Schätzpreis auf Anfrage lautet das Motto für das aus einer europäischen Privatsammlung stammende Werk. In welcher Höhe die Einbringer das Limit angesetzt haben lässt sich nur erahnen. Das Dorotheum gibt sich zugeknöpft, verweist auf vertraglich zugesicherte Verschwiegenheit. Was andernorts in der Internationale durchaus an der Tagesordnung, davor schreckt man hierzulande zurück, von Garantien darf und kann nicht die Rede sein, selbst wenn das grundlegende Prinzip ein ähnliches ist. So geht das Zugpferdchen für offiziell nicht bezifferbare Taxen an den Start. 2006 Umsatzrekord Ein Blick in die amerikanische Kunstpreisdatenbank Artprice lässt allerdings ahnen, dass der Wert mit Sicherheit siebenstellig ist, so um die drei bis fünf Millionen Euro wird das Limit schon liegen, wie Vergleiche mit 2007 bereits in London versteigerten Arbeiten dokumentieren. Immerhin hat der Einbringer Schieles bestes Umsatzjahr im Rücken. Die 2006er Performance konnte sich sehen lassen, 48 in den weltweiten Auktionssälen versteigerte Werke brachten es auf ein total von fast 63 Millionen Euro. Es war allerdings eine an großformatigen Gemälden reiche und damit untypische Saison. Im Juni 2006 waren bei Christie`s in London die aus Privatbesitz restituierte Herbstsonne für 15,38 Millionen Euro unter den Hammer gekommen, ein Weltrekord der allerdings kein halbes Jahr hielt. Im November reichte Christie`s dann über New York "Einzelne Häuser / Monk I" für 20 Millionen Dollar, umgerechnet 15,67 Millionen Euro weiter. Aber das Publikum ist und bleibt selektiv, eines der Hauptwerke Egon Schieles, die 1911 gemalte Prozession fiel im Februar dieses Jahr durch, ihre Erwartungen hatten die Christie`s Experten mit 5-7 Millionen Pfund beziffert. Die Auktionen der zweiten Jubiläumswoche: Möbel und dekorative Kunst: 29.05.2007, 14:00 Uhr Klassische Moderne: 29.05.2007, 18:00 Uhr Jugendstil und angewandte Kunst des 20. Jahrhunderts: 30.05.2007, 14:00 Uhr Zeitgenössische Kunst: 30.05.2007, 18:00 Uhr Ölgemälde und Aquarelle des 19. Jahrhunderts: 31.05.2007, 14:00 Uhr Silber: 31.05.2007, 17:00 Uhr Juwelen: 01.06.2007, 16:00 Uhr Armband- und Taschenuhren: 01.06.2007, 18:00 Uhr
Mehr Texte von Olga Kronsteiner

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