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Op Art: Die Kunst des Sehens

Als die Bewegung endlich namhaft wurde, war es mit ihr auch schon wieder fast vorbei. Das war 1964, und ein Kritiker des Magazins "Time" konnte gerade nicht der einleuchtenden Idee widerstehen, das nicht mehr zu ignorierende Phänomen - in Anlehnung an die zeitgleiche Pop Art - mit dem Etikett "Op Art" zu versehen, womit die ursprünglich europäische Bewegung nun auch in den USA angekommen war: ein Siegeszug, der seine triumphale Bestätigung und museale Weihe letztlich ein Jahr später mit der Ausstellung "The Responsive Eye" im New Yorker MoMA erfuhr. Womit auch schon ein, nein vielmehr der Höhepunkt erreicht war, wenigstens kunsthistorisch betrachtet. Denn bald darauf nämlich trennten sich die Wege, die Bewegung verfiel, löste sich zusehends auf, während das Phänomen dagegen unaufhaltsam diffundierte, in die benachbarten Bereiche Design und Mode eindrang und die Alltagskultur zu bestimmen schien. Von all den Dekadenzphänomenen, die auch gehörig dazu beitrugen, dass die Op Art von den Kunstrichtern stets sträflich unterbewertet wurde, sieht man hier jedoch großzügig ab und konzentriert sich stattdessen auf den Beginn und die reife Periode einer Bewegung, die - wir befinden uns schließlich in den revolutionär gestimmten 60er Jahren - wieder einmal angetreten war, die Kunstgeschichte umzuschreiben. Denn man war damals, um die Wende des Jahrzehnts, der noch immer dominierenden informellen Malerei allgemein leid, ertrug die elitären und esoterischen Subjektivismen des von ihr getragenen Geniekults nicht mehr und wollte diesem überholten Konzept etwas durchwegs Konträres entgegensetzen: eine völlig voraussetzungslose, vom Betrachter kein Vorwissen, aber dafür seine Teilnahme erwartende, wissenschaftlich fundierte und dem Objektiven verpflichtete Form der experimentellen Kunst, die sich der Untersuchung visueller Effekte und Wahrnehmungsprinzipien widmete und - das allerdings war jetzt keineswegs neu und revolutionär - vorwiegend von Männern betrieben wurde, die sich dazu europaweit zu Gruppen zusammenschlossen (in Frankreich die GRAV, in Italien Gruppo N aus Padua und Gruppo T aus Mailand, in Deutschland Zero usw.) und sich überhaupt mehr als forschende Ingenieure denn als Künstler verstanden. Der verwirrenden Vielfalt dieser international beinahe gleichzeitig eruptierenden Strömung vermag nun indes leider auch die Ausstellung nicht ganz Herr zu werden, was einerseits natürlich in dem Gegenstand selbst seinen Grund hat - der Op Art war die gezielte Überforderung der Wahrnehmung ja programmatisch eingeschrieben -, andererseits aber auch von der prinzipiellen Entscheidung hervorgerufen wird, die Schau nicht nach chronologischen oder geographischen, sondern nach medialen Aspekten zu ordnen: eine Entscheidung, die ihre Rechtfertigung dadurch erhält, dass die Op Art da am stärksten wirkt, wo sie den Betrachter vollkommen umfängt, wo seine Submersion am vollständigsten ist. Folglich bilden die zeitnahen, aber im Gang der Ausstellung weit auseinanderliegenden, großen Rauminstallationen eines Gianni Colombo, Francois Morellet oder Otto Piene die Kristallisationspunkte, zwischen die sich die restlichen der über 80 Werke (vor allem Gemälde und Objekte) fügen - gewissermaßen als unendliche Lichterkette, die von den Raumhöhlen eindrucksvoll intermittiert wird. Womit sich übrigens im Großen, und damit als Metastruktur, derselbe grundlegende Schwarz-Weiß-Dualismus einstellt, der auch so viele der Arbeiten selbst kennzeichnet, die mit nicht-chromatischen Mitteln den Sehprozess zu analysieren und damit die Kunst an sich zu entmystifizieren gedachten: angefangen von den Frühwerken der beiden wohl bekanntesten Op Art-Künstler Bridget Riley (drei allesamt die Illusion bloßstellende Bilder in wunderbar dichter Hängung) und Victor Vasarely (Hinterglasgrafiken mit der Anmutung von Anti-Reliefs) über Jesus Rafael Sotos drahtige Vibrationsstrukturen bis hin zu Marina Apollonios begehbarem Kreisel in der Rotunde vor dem Eingang der Schirn. Neben diesen subtilen und beinahe poetischen Versuchen der Irritation finden sich dann aber auch noch diejenigen, die mit äußerster Brachialität zu Werke gehen und dabei keine Schonung in Aussicht stellen: so wie etwa Davide Borianis "Ambiente stroboscopico 4", der einem mit Spiegelwänden, beweglichen Bodenelementen und ständig abgefeuerten Lichtblitzen in enervierender Weise jede Orientierung und Ruhe raubt und den Sinnen geradezu den Krieg erklärt. Doch Gefangene werden hier keine gemacht.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Op Art
17.02 - 20.05.2007

Schirn Kunsthalle Frankfurt
60311 Frankfurt am Main, Römerberg
Email: welcome@schirn.de
http://www.schirn.de
Öffnungszeiten: Di - So 11.00-19.00 Uhr, Mi - Sa 11.00-22.00 uhr


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