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Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930-1945: Über Postkartenmaler und andere

Nein, als reine Kunstausstellung sollte diese Schau ganz gewiss nicht rezipiert werden. Eine solche ästhetische Prädisposition vereitelt alleine schon der ausgesucht scheußliche, vielfarbig marmorierte Wandanstrich, der in seiner Biederkeit unverhofft an Omis Küchentapete aus den 50ern erinnert. Aber man täte nicht recht daran, den Dekorateur des DHM für sein zweifellos gewagtes Display nur zu schelten, erscheint es doch durchwegs stimmig, eine Präsentation, die sich der epochalen Verquickung von Kunst und Propaganda, also der politischen Aufhebung der künstlerischen Autonomie widmet, von jeder White Cube-Anmutung freizuhalten. Zudem, so ließe sich vermuten, wollte man damit auch das eventuell noch immer wirksame demagogische Potential der (nazistischen) Werke bannen - eine Insinuation, die gerade in Deutschland einige Plausibilität beanspruchen darf, vergegenwärtigt man sich etwa den Eklat anlässlich der vorjährigen Arno Breker-Ausstellung in Schwerin - oder, ganz im Gegenteil, letztlich ihre Banalität illustrieren, um so gewissermaßen die Tapete zur These von der Banalität des Bösen zu liefern. Und dabei steht die Raumausstattung im denkbar schärfsten Kontrast zur grundsätzlichen Konzeption der Ausstellung, die in der Tat alles andere als trivial geraten ist. Denn man unternimmt hier den spektakulären - oder übelwollend: spekulativen - Versuch, nicht nur die das Feld der Kunst überziehenden Propaganda-Aktivitäten der totalitären Systeme Deutschlands, Italiens und der Sowjetunion einander gegenüberzustellen, sondern diese Diktaturen darin auch mit der demokratischen USA zu vergleichen: eine Strategie, die zum einen rein sachlich der Tatsache geschuldet ist, dass sich das Ausstellungsprojekt einer Kooperation mit dem Wolfsonian Museum in Miami verdankt, von dem auch ein erheblicher Teil der rund 400 Exponate - neben den klassischen Künsten Malerei, Skulptur, Architektur(pläne) vor allem die Propagandazwecken besonders dienstbaren Massenmedien Fotografie, Film und Plakat - stammt, andererseits aber, so unerhört sie fürs Erste scheint, theoretisch doch nicht ganz unbegangene Pfade betritt, indem sie offensichtlich an die jüngste Studie (2005) des freigeistigen Kulturhistorikers Wolfgang Schivelbusch anschließt, der eine „entfernte Verwandtschaft“ zwischen den in Frage stehenden Herrschaftssystemen ausgemacht hat. Woran man sich freilich trotzdem leicht überhebt, weil das Medium Ausstellung der Komplexität des Themas einfach nicht gerecht zu werden vermag; weil man den Ausstellungsbesucher im Rahmen der vier gewählten Sektionen - Staatsführer, Mensch und Gesellschaft, Arbeit und Aufbau, Krieg - zwar überraschend damit konfrontiert, dass der „New Deal“ Franklin D. Roosevelts mit großen propagandistischen Anstrengungen einherging (alleine sieben Prozent der staatlichen Fördergelder kamen den Künstlern zugute, und solche Regierungsprogramme wie etwa die Farm Security Administration, auf deren Angebote auch ein Walker Evans oder eine Dorothea Lange sich nicht zu schade waren einzugehen, sicherten in den Zeiten der Depression bis zu 5000 von ihnen ihr Auskommen), aber zugleich aufgrund der paritätischen Anordnung in den Sektionen fälschlicherweise suggeriert, dass Bedeutung und Ziele der jeweiligen propagandistischen Agitationen tatsächlich vergleichbar sind; weil der Zeithorizont verdunkelt, von den politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Hintergründen zu sehr abgesehen wird (was der lesenswerte Katalog jedoch zu kompensieren weiß); und weil schließlich auch noch innerhalb der einzelnen Länder zu wenig differenziert wird, ob das Wohlverhalten der Künstler erzwungen ist oder eigenem Willfahren entspringt. Aber schön zu sehen, dass schon damals, also kurz nach Ende des Krieges, als die Nazi-Kunst von den Alliierten konfisziert wurde, um nach ihrer Rückgabe für die nächsten 50 Jahre im Münchner Hauptzollamt weggeschlossen zu werden, so mancher die nötige ästhetische Distanz vermissen ließ und stattdessen - in guter vormoderner, religiös-magischer Manier - die Abbildung mit dem Abgebildeten identifizierte, sonst hätte er wohl nicht in einem ikonoklastischen Akt Hubert Lanzingers „Bannerträger“ (der „Führer“ in Ritterrüstung) die Augen ausstechen wollen. Der alte Postkartenmaler wiederum wäre, hätte er all den hier versammelten Kitsch sehen können, wahrscheinlich entzückt gewesen.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930-1945
26.01 - 29.04.2007

Deutsches Historisches Museum
10117 Berlin, Unter den Linden 2
Tel: +49 - (0)30 - 20304 - 444, Fax: +49 - (0)30 - 20304 - 543
http://www.dhm.de
Öffnungszeiten: Täglich 10.00 - 18.00 Uhr


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