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Neo Rauch. Neue Rollen. Bilder 1993-2006: Schwer zu deutende Rauchzeichen

Es gibt Künstler, die man gegen ihren eigenen - ökonomischen - Erfolg in Schutz nehmen muss. Neo Rauch zum Beispiel ist so ein Fall: teuerstes und profitabelstes Pferd im Stall des überaus geschäftstüchtigen Galeristen G.H. Lybke und zugleich Wappentier des zurzeit maßgeblichen Kunstmarkphänomens "Neue Leipziger Schule", dessen Sammler sich auf dubiose Wartelisten zu setzen und sich dann trotzdem mitunter jahrelang zu gedulden haben, bis sie eines der zögerlich gefertigten Werke ihr eigen nennen dürfen, deren Preise dafür umso rascher steigen, weil auf irgendeiner Messe oder Auktion ein neuer Rekord erzielt wurde, den mit ziemlicher Sicherheit wieder einer dieser kaufwütigen und bloß die renditeträchtige Investition suchenden Amerikaner zu verantworten hat, die, wie man als in Fragen der Kultur unfehlbarer Europäer schließlich weiß, nicht unbedingt als geschmackssicher gelten können und, ja, sowieso keine Ahnung haben. So - cum grano salis - liegen also die Dinge, und so wie sie liegen, sind sie natürlich dazu angetan, unseren Argwohn zu erregen, denn nach einem alten Vorurteil vertragen sich Popularität und Qualität eben nur schlecht miteinander. Und doch - trotz des Hautgouts, der von dieser recht kunstfernen Geschäftigkeit ausgeht, die phänotypisch an die gar nicht so lange zurückliegende Spekulation mit YBA erinnert - muss man feststellen, dass Neo Rauch ein ziemlich großartiger Maler ist. Ein Maler, der, das legt zumindest ein Blick auf die erste Etappe (bis in die späten 90er) der durchwegs chronologisch gehängten Werke nahe, ein stringentes, wenngleich potentiell auf Mehrdeutigkeit hin angelegtes Bildprogramm verfolgt, das aus seiner eigenen Biographie geschöpft ist, ein Maler also, der das, was er tut, nicht aus Kalkül, sondern aus einer gewissen Notwendigkeit heraus unternimmt. Denn diese frühen Bilder weisen Rauch durchaus als - nostalgiefreien - Chronisten der DDR-Moderne bzw. deren postindustrieller Verendung aus: entvölkerte und zu keiner Zeit von irgendeiner versprochenen Blüte heimgesuchte Landschaften oder seelenlose, von einer pervertierten instrumentellen Vernunft ersonnene Unorte (Staudämme, Tankstellen etc.) treten uns hier in den ausgebleichten Valeurs der ostdeutschen Reklameästhetik entgegen, die - wenn sie ihre seltenen Auftritte haben - auch die schablonenhaften, stark konturierten und in Lokalfarben gehaltenen Figuren beherrscht. Die gesuchte Planheit der Darstellung wird dabei noch durch den teils weitflächigen Einsatz monochromer und ihren Pinselauftrag herausstreichender Partien forciert, welcher Kunstgriff dazu beiträgt, die so letztlich in ihrer Ausschnitthaftigkeit zur Anschauung kommende Modell- und Kulissenwelt nachdrücklich als Erfindung des Malers und nicht als Naturnachahmung zu begründen. Eine solche Lesart wird wiederum von der idée fixe des Künstlers gedeckt, in weiteren Bildern das moderne Diktat der Selbstreferenz zu beherzigen und Malerei über Malerei zu treiben, Bildern, die dabei aber ironischerweise Assoziationen mit der die Hochkunst unterlaufenden Pop art (bzw. dem Comic) wachrufen, die von Selbstbezüglichkeit ja eher weniger wissen will. Die jüngeren und jüngsten Werke verschreiben sich dagegen mehr einer Art schwarzem Surrealismus und beschwören in Traumgespinsten zu vergleichenden Bildfindungen eine Atmosphäre des Unheimlichen und Bedrohlichen, in Szenen, die Folter, Gewalt und Krieg ausmalen und von der eingetretenen Katastrophe künden: die Komposition trägt nunmehr dem Raum stärker Rechnung, die Figurenauffassung überzeugt durch Wirklichkeitsnähe, die Farben fallen kräftiger, manchmal schon beinahe grell aus. Es ist gut, wirklich gut. Und doch könnte hier bereits der Keim zum Kitsch angelegt sein, denn es wirkt alles auch irgendwie etwas glatt. Vielleicht droht hier also tatsächlich die Gefahr der Virtuosität. Man erinnere sich einmal des alten Dali.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Neo Rauch. Neue Rollen. Bilder 1993-2006
11.11.2006 - 13.03.2007

Kunstmuseum Wolfsburg
38440 Wolfsburg, Porschestraße 53
Tel: +49(0) 5361- 26690, Fax: +49(0) 5361- 266966
Email: info@kunstmuseum-wolfsburg.de
http://www.kunstmuseum-wolfsburg.de
Öffnungszeiten: Di-So 11-18 h


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Herr Kunitzky,
Walter Stach | 13.03.2007 10:47 | antworten
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