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Hans Haacke - wirklich. werke 1959 - 2006: Streitbar

Fast scheint es, als hätte Hans Haacke diesmal etwas falsch gemacht. Denn ganz gegen die Erwartung verlief die Ausstellung - die längst fällige Retrospektive, die ihm die Hamburger Deichtorhallen im Verbund mit der Berliner Akademie der Künste anlässlich seines mittlerweile auch schon 70. Geburtstags ausgerichtet haben - bisher geradezu geräuschlos, ohne die mindeste Störung. Kein Eklat, kein Skandal, einfach nichts: mithin keine Rede davon, dass die Schau vielleicht kurzfristig abgesetzt worden wäre wie weiland 1971 die projektierte Einzelpräsentation im New Yorker Guggenheim, als dessen Direktor angesichts einer das Mäzenatentum potentiell gefährdenden Investigation über die lokale Immobilienspekulation ("Shapolsky et al.") schließlich seine Zusage widerrief; oder dass sie immerhin von einer partiellen Zensur betroffen wäre, wie 1974 geschehen, da Haackes Beitrag, der mittels einer Provenienzforschung zu einem Manet-Stilleben dessen Stifter durch die Aufdeckung seiner unrühmlichen NS-Vergangenheit desavouierte ("Manet-Projekt `74"), aus der Jubiläumsausstellung des Kölner Wallraf-Richartz-Museums verbannt wurde; oder dass sich nach erfolgtem Coup letztlich gar der Mob erheben und sein Heil im Vandalismus suchen könnte, wie 1988 in Graz, als Haackes architektonische Intervention "Und ihr habt doch gesiegt" dem Feuer zum Opfer fiel. Was ist also los mit dem Agent provocateur der politischen Kunst, dem stets opferbereiten Pionier der Institutionskritik? Ist er etwa altersmüde, ist er handzahm geworden? Nicht unbedingt. Aber es zeigt sich eben, dass sich Haackes ureigene Qualität der Präzision, die sich in der Orts- und Zeitspezifität seiner Arbeiten ausspricht, gerade im Rahmen einer Retrospektive nicht mehr so recht ihre einstmals explosive Wirkung zu entfalten vermag; dass diese gleichsam vom Anlass diktierte Agitations-Kunst folglich nicht nach ewiger Geltung schielt, sondern in ihrem ursprünglichen Kontext aufgehen wollte bzw. musste, dem sie nunmehr natürlich - durch Distanz in jeder Hinsicht - entfremdet ist. Es empfiehlt sich demnach, diejenigen Arbeiten dieser Ausstellung, die sich der Denunziation eines aktuellen Mißstandes verpflichtet hatten, als Teile einer Art Geschichtsarchiv zu betrachten, als ein die Form der Kunst wählendes Gedächtnis - und Mahnmal - der unseligen Verquickung von Macht, Geld und Unrecht bzw. Unmoral (etwa die einträgliche Kooperation von Firmen wie Mobil, Cartier, Mercedes et al. mit dem Apartheid-Regime oder damit zusammenhängend der Missbrauch des Kunst-Sponsoring zum Zwecke der Imagepolitur: prominentestes hiesiges Beispiel vielleicht die Fusion von Deutsche Bank und Guggenheim zu "Deutsche Guggenheim"). Und Archive werden nun einmal höchst selten als erregend empfunden, zumal auch das Design dieser Arbeiten ästhetisch eher anspruchslos ausgefallen ist, weil es seine Ausrichtung vorwiegend an der Plakativität genommen hat. Als wirklich aufregend erweist sich indes die Wiederbegegnung mit dem Haackeschen Frühwerk, das aufgrund der die Aufmerksamkeit weitgehend absorbierenden (kunst)politischen Statements inzwischen etwas in Vergessenheit geraten ist: von der Minimal Art und der Process Art beeinflusste konzeptuelle Versuchsanordnungen, die auf teils poetische (aus einfachen Ballons oder riesigen Tüchern bestehende instabile Skulpturen, die von einem künstlichen Luftstrom in der Schwebe gehalten werden), teils kindlich staunen machende Weise (schwimmende Eisringe; die in einer Röhre wandernde Elektrizität) transitorische physikalische Systeme vorführen, in denen Zeit, Raum und Energie die Determinanten bilden: quasi ein die Elemente befragendes Vorspiel zu den späteren elementaren Erkundungen der größeren gesellschaftlichen Systeme.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Hans Haacke - wirklich. werke 1959 - 2006
17.11.2006 - 04.02.2007

Deichtorhallen
20095 Hamburg, Deichtorstraße 1+2
http://www.deichtorhallen.de
Öffnungszeiten: Di-So 11-18 h


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