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Allan Kaprow. Kunst als Leben: Verspielt

Nun ist es also doch eine Gedächtnisausstellung geworden - nun, nachdem der Tod im April letzten Jahres Allan Kaprow endgültig aus dem Kunstspiel genommen und dieser Retrospektive dadurch ein fertiges, abgeschlossenes Lebenswerk vermacht hat. Und als hätte die Vorsehung (un)glücklich Regie geführt, trägt das Münchner Haus der Kunst mittels der zeitgleich gezeigten "Black Paintings" dabei ebenfalls die geziemende Trauer zur Schau. Womit allerdings nicht nur dem Dekorum Genüge getan wird, sondern vor allem auch die ideale Kontrastfolie für Kaprows Oeuvre gegeben ist, das sich ja nicht zuletzt gegen die Erstarrung und Auslöschung, die in den mystischen (Reinhardt) und geometrischen (Stella) Schwarzmalereien der hier versammelten Proponenten der New York School zu beredt-schweigsamem Ausdruck kommen und solcherart als eminentes Krisenphänomen des klassischen Tafelbilds zu begreifen sind, in Stellung zu bringen trachtete. Kaprow verabschiedete demnach für sich die "artlike art" - die geschützte, gerahmte, in den engen Grenzen der Selbstreflexion gehaltene Kunst - und setzte stattdessen auf die "lifelike art", die sich mit dem Leben liieren und in die Welt verströmen sollte, wo sie folglich ihr Material ebenso wie ihre Mit-Spieler zu finden hatte. Weshalb das Kuratorium auch gut daran getan hat, Kaprows Frühwerk, seinen eher epigonalen Bildern, Collagen, Assemblagen (die Orientierung an Pollock und Rauschenberg ist hier überdeutlich, und ihre Vorstellung rechtfertigt sich hauptsächlich dadurch, dass sich an ihnen die richtungsweisende Eroberung der dritten Dimension aufzeigen lässt) gebührend wenig Raum zuzugestehen und den Fokus dafür auf seine eigentliche Leistung, die epochemachende Neuerung des Happenings, zu richten, das, beginnend mit dem Initialereignis "18 Happenings in 6 parts" von 1959 und bis herauf in die 90er Jahre, tatsächlich das Zentrum seines weiteren Schaffens einnimmt. Der exakte Fokus liegt dabei aber - der Natur der Sache entsprechend, denn es handelt sich ja um eine ephemere Kunstform - nicht auf der bildlichen Dokumentation der Happenings (die Kaprow aufgrund des inflationären Erfolgs des Begriffs später in "Activities" umbenannte), sondern auf deren schriftlicher Partitur: Als Folge davon wird man auf riesigen Vitrinentischen mit einer kaum zu bewältigenden Menge von als "Scores" bezeichneten originalen Handlungsanweisungen konfrontiert, die Menschen vor langer Zeit einmal dazu brachten, beispielsweise im sonnigen Kalifornien Eisblöcke zu Iglus zu formen ("Fluids", 1970) oder eine "Berliner Mauer" aus Marmeladebroten zu bauen ("Sweet Wall", 1970); womit schon vernehmlich geworden sein sollte, dass Kaprow seine Happenings nicht rein als poetische oder absurde Tollheiten konzipierte, sondern durchaus auch einen höheren Einsatz wagen und das harmlose Rollenspiel um die soziale und politische Dimension zu einem echten Gesellschaftsspiel erweitern wollte. Und da Kaprow gegen Ende seines Lebens außerdem einer einschneidenden Regeländerung zustimmte, die die bis dahin festgeschriebene Einmaligkeit der Happenings aufhob, dürfen nun unter allgemeiner Beteiligung des Publikums auch Re-enactments vergangener Aktionen aufgeführt werden. Aber damit droht sich vielleicht genau jene Art des Happenings - als Kunstspektakel - einzustellen, vor der es Kaprow letztlich doch so graute.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Allan Kaprow. Kunst als Leben
08.10.2006 - 21.01.2007

Haus der Kunst München
80538 München, Prinzregentenstrasse 1
Tel: +49 (0)89 21127-113, Fax: +49 (0)89 21127-157
Email: mail@hausderkunst.de
http://www.hausderkunst.de/
Öffnungszeiten: Mo – So 10.00 – 20.00, Do 10.00 – 22.00


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