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Exil des Imaginären - Politik, Ästhetik, Liebe: Deduktiv und diskursiv

Die beispielhafte Kuratorenperson von früher, sagen wir Harald Szeemann aus Tegna im Tessin, trieb sich viel in Ateliers herum, sah hier etwas im Entstehen und dort etwas am Brodeln und machte sich seinen Reim darauf. Vielleicht, so ging der Gedanke, ist das, was man hier sieht, gerade deshalb originell, weil es exemplarisch ist, und es gibt womöglich noch andere, die etwas Ähnliches köcheln lassen. Wenn sich dieser Gedanke als plausibel erwies, stand am Ende eine Ausstellung. Die beispielhafte Kuratorenperson von heute, sagen wir Juli Carson aus Los Angeles in Kalifornien, treibt sich viel in Lektüren herum, liest da ein Stück französische Psychoanalyse, dort etwas Philosophie aus der Frankfurter Schule und überhaupt sehr viel in den Diskursmagazinen, unter denen "October" offenbar nach wie vor wenn nicht den Gedankengang, aber doch den Ton vorgibt. Hat sie sich alles nur genug auf Englisch einverleibt, dann fragt sie sich, ob dazu eine Ausstellung passt, und wenn die Frage professionshalber positiv beantwortet wird, sucht man, aber nicht zu lange, nach so etwas wie Exponaten. Der Unterschied zwischen einem Szeemann und einer Carson ist nicht allein der uralt methodische zwischen induktiv und deduktiv. Es ist vor allem derjenige zwischen intensiv und diskursiv. Da nun wird aus dem Unterschied eine Crux, und jenes "Exil im Imaginären", das Juli Carson gerade in der Generali auslotet, ist weiter weg als hinter den Wolken. Im Jet-Stream der Meta-Nebel, die sich aus der unablässigen Kommentierung des längst Kommentierten kondensieren, ist der stabile Halt in den Phänomenen allerlängst verflogen. Nennen wir also die Namen der Beteiligten - Andrea Geyer, Ken Gonzales-Day, Sharon Hayes, Adrià Julià, LTTR, Dorit Margreiter, Stephanie Taylor, Kerry Tribe, Bruce Yonemoto (zum Teil mit Raymond Pettibon) sowie Dolores Zinny/Juan Maldagan - und fügen doch eine Beobachtung hinzu, die der sehr einschlägigen Avanciertheit, wie sie die am amerikanischen Modell des Halbverstehens europäischer Philosophie Sozialisierten so gern an den Tag legen, entgegenarbeitet. Wieder einmal nämlich geht die Generali mit jener Sorgfalt zu Werke, die die geladenen Kuratoren gern vermissen lassen. Allein der Aufwand, der betrieben wird, um der globalisierten Beglückung durch DVD-Player mit so etwas völlig aus der Zeit Gerutschtem wie 16mm-Projektoren zu begegnen, verdient jedes Lob. Schade, dass Harald Szeemann schon tot ist. Er hätte gut zur Generali gepasst.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Exil des Imaginären - Politik, Ästhetik, Liebe
18.01 - 29.04.2007

Generali Foundation
1040 Wien, Wiedner Hauptstrasse 15
Tel: +43 1 504 98 80, Fax: +43 1 504 98 83
Email:
http://foundation.generali.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-18, Do 11-20, Sa, So 11-16h


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