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The Heartbeat of Fashion: Weitherzig

Das geradezu symbiotische Verhältnis zwischen der Mode und der Fotografie kann ja eigentlich als kurios gelten, wenn man einmal - die Sache etwas zuspitzend - bedenkt, wie diametral diese beiden Phänomene in ihrem Wesen einander entgegengesetzt scheinen; so erfüllt sich etwa die Mode ganz in der Gegenwart oder ist vielmehr auf die allernächste Zukunft hin ausgerichtet, während die Fotografie schon im Moment ihrer Entstehung letztlich der Vergangenheit angehört; und ist der Mode der andauernde Wandel, der Wechsel in Permanenz schlechtweg programmatisch eingeschrieben, dann konterkariert die Fotografie ein solches Bewegungsdiktat durch ihre Stillstellung und damit Perpetuierung des eben eingefangenen Augenblicks. Trotz dieser - philosophischen - Differenzen waren die beiden aber beinahe unausweichlich aufeinander angewiesen, denn die lange um ihr Ansehen sich mühende Fotografie konnte sich solcherart wenigstens kostbar machen und mit dem Air von Eleganz und Glamour umgeben, wohingegen die Mode schließlich ohnehin immer ins rechte Licht gesetzt und somit an den von ihr geblendeten Käufer gebracht werden wollte. Der nach 2003 ("Clear Vision") abermalige Einblick in die Sammlung Gundlach gestattet nun also einen bezaubernden Durchgang durch die klassische Modefotografie, wie sie sich vor allem mit dem nach dem Ersten Weltkrieg einsetzenden Aufkommen der illustrierten Zeitschriften herausbildete. Wir begegnen demnach ebenso einem bei "Vogue" anfänglich das Geschehen mit seinem freilich schon damals anachronistischen Piktorialismus dominierenden Baron de Mayer wie dem ihn stilistisch ablösenden und um einiges kühleren und sachlicheren Steichen oder - mit einem besonders großen Konvolut - dem überaus mondänen und hierin an die Hollywood-Starfotografie der 30er gemahnenden Hoyningen-Huene; nach dem überstandenen Krieg dann eine neue Generation mit einem von der - kürzlich wiederentdeckten - Legende Munkacsi beeinflussten und das gestundete Leben feiernden Richard Avedon (natürlich auch mit der Inkunabel "Dovima with elephants", 1955), einem formal disziplinierteren Irving Penn, einem stets undisziplinierten und die Provokation suchenden Guy Bourdin; wieder eine Generation später schließlich ein Lindbergh und heute ein Lachapelle und ... So weit, so schön. Das Bemerkenswerte an der Ausstellungskonzeption, die der diesmal auch als Kurator hervortretende Gundlach selbst verantwortet, ist jedoch die großzügige Auffassung des Begriffs der Modefotografie, welche man hier nicht nur als Inszenierung der Konjunktur der Kleider versteht, sondern überall dort am Werke sieht, wo der Mensch beim Versuch der Selbstdarstellung beobachtet werden kann. Also tatsächlich überall. Folglich optiert diese Veranstaltung für einen großen Perspektivwechsel, und das, was zuvor unter der Kunst- (Cindy Sherman), Portrait- (David Octavius Hill), Sport- (Karel Slotek) Straßen- (Leon Levinstein) oder gar Aktfotografie (sic) rubriziert wurde, soll nun unter dem Signum der (erweiterten) Modefotografie wahrgenommen werden: Womit doch nur die alte Wahrheit bestätigt wird, dass die Bedeutung der ja wesentlich kontingenten Fotografie nie vorgegeben ist, vielmehr erst durch den Betrachter gestiftet werden muss. Oder aber der Kurator ist so lieb und nimmt einem das ab.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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The Heartbeat of Fashion
27.09.2006 - 07.01.2007

Deichtorhallen
20095 Hamburg, Deichtorstraße 1+2
http://www.deichtorhallen.de
Öffnungszeiten: Di-So 11-18 h


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