Aurelia Jurtschitsch,
anonym / individuell
Erst im Mai waren im Architekturzentrum Wien die Estnischen Bus-Wartehäuschen zu sehen, und es handelt sich dabei um Baulichkeiten weitab von Stararchitekten oder serienmäßig designten Zweck-Bauten einer Institution, vielmehr um Exemplare anonymer Alltagsarchitektur in den unglaublichsten Interpretationen.
Mit dem akkuraten Blick für diesen eigenwilligen Charme - gemischt aus Notwendigkeit, Unaffektiertheit und individuellem, ungeniertem Gestaltungsdrang - erfasste Barbara Motter jene kleinen Nutzbauten, die in Obstwiesen oder Gemüsegärten eingestreut sind. "Gartenhüsle" ist eine Verhochdeutschung, wird respektvoll gegenüber den Einheimischen erläutert, die es eher als "Gartahüsle" oder "Gartohüsle" benamsen. Richtig, wir sind im Unteren Rheintal Vorarlbergs. - Als die Historikerin / Schwerpunkt Architektur ins Ländle übersiedelte, zogen diese Häuschen, Schuppen, Ställchen unwillkürlich ihr Augenmerk auf sich. Schließlich konnte sie an den Geschichten über die Besitzer und Benützer quasi die Siedlungsgeschichte der letzten 100, oder sogar 150 Jahre nachvollziehen. Selbstversorgungsstrategien im Kontext von Industrialisierung und Migration brachten eine kontinuierliche Verwandlung des bäuerlichen Ambientes mit sich. Ein Ende dieses Prozeses ist nicht abzusehen...
Nun liegt es also vor, das Büchle zum Hüsle, in entsprechend handlichem Format (16 x 18 cm), in Wort und Bild. Die Stimmungs-Bilder zu den ca 30 ausgesuchten Objekten steuerte Konrad Rainer bei, der zuletzt auch beim Porträtprojekt Admonter 2006 vertreten war. Und dies Büchlein enthält exakte Angaben zu Entstehungsjahr, Material/ien, ursprünglichem und jetzigem Verwendungszweck bzw. exakten Lageplan im Gebäudeverband der Bauten, was das leichte Drüberlesen und Schauen zum Studium avancieren läßt.
Barbara Motter: Gartenhüsle, Anonyme Nutzbauten im Unteren Rheintal
Fotografie: Konrad Rainer
Studien Verlag, 2006
ISBN-10: 3-7065-4325-7
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