Naoko Kaltschmidt,
After the Bubble
Entgegen den allzu gern bedienten Uniformitätsklischees kann die aktuelle japanische Architekturszene vor allem mit einem punkten - Vielseitigkeit. Angesichts permanenter Katastrophengefahren (Erdbeben, Taifun, Tsunami u.a.), der flächendeckenden Verheerungen im Zweiten Weltkrieg und der folgenden, finanzieller und zeitlicher Not geschuldeten Bausünden sowie der mitunter horrenden Einwohnerdichte in den Ballungsräumen sind schon zahlreiche Parameter für jegliches Bauvorhaben gegeben. Trotzdem erstreckt sich die Bandbreite von gigantischen Wolkenkratzern bis zur sogenannten Pet Architecture - ein Begriff, den die Tokioter Architekten Yoshiharu Tsukamoto und Momoyo Kaijima (Atelier Bow-Wow) für die unfassbar winzigen wie faszinierenden Alltagsarchitekturen kreiert haben.
Ob es nun die begeistert aufgenommene, in ihrer Zurückhaltung so elegante MoMA-Erweiterung von Yoshio Taniguchi ist, ein unkonventionelles Wohnhaus wie "cell brick" des vom Brutalismus beeinflussten Yasuhiro Yamashita (Atelier Tekuto) oder Herzog & de Meurons atemberaubender Prada-Store in der luxuriösen Einkaufsstraße Omotesando in Tokyo - die Architektur Japans, wie sie in der Ausstellung "Parallel Nippon" präsentiert wird, hat international für Furore gesorgt; und das auch nach der Zeit der schwindelerregenden Bubble Economy und dem ökonomischen Desaster der 90er Jahre, wovon sich das Land aber gerade in den letzten Jahren wieder merklich erholt zu haben scheint.
Während die Überblicksschau bei einem eher spärlichen Display primär informativ vorgeht, zielt die opulente Einzelausstellung des japanischen Stararchitekten Toyo Ito (geb. 1941) dafür umso mehr auf die räumliche Wahrnehmung: Maßstabs- und materialgetreue Anschauungsobjekte machen Itos Arbeiten in ihrer sinnlichen Qualität erfahrbar, aufwändige Modelle, filmische Dokumentationen und die für seine Konstruktionsentwürfe so essentiellen Computergrafiken gewähren Einblick in die einzelnen Entwicklungsstadien. Der Fokus der Personale liegt auf neun aktuellen Werken, angefangen mit der spektakulären Sendai Mediatheque von 2001 bis zum jüngsten, noch in Bau befindlichen Projekt des Taichung Metropolitan Opera House in Taiwan. Die komplexe, fluide, organische Formensprache setzt sich bewusst von modernistischer Strenge und Regelmäßigkeit ab, dennoch ist der westliche Einfluss besonders für Japans neue Architektengeneration eminent wichtig; es sind besonders urbanistische und landschaftsplanerische Fragestellungen, die - durchaus auch in der Provinz - vermehrt an Bedeutung gewinnen.
Tokyo Metropolitan Museum of Photography (bis 03.12.2006)
1-13-3 Mita Meguro-ku Tokyo 153-0062
www.syabi.com/details/parallel.html
Tokyo Opera City Art Gallery (bis 24.12.2006)
3-20-2 Nishi-shinjuku, Shinjuku-ku, Tokyo 163-1403
www.operacity.jp/ag/exh77/index_e.html
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