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Jenseits des Kinos: Die Kunst der Projektion: Disposition Film

Schon 1936 erkannte Erwin Panofsky die eminent wichtige Bedeutung der kinematographischen Errungenschaften, ihm zufolge "ist der Film, was die meisten anderen Kunstformen nicht mehr sind, nicht Verzierung, sondern Notwendigkeit". Dennoch ließ die breite Akzeptanz von Seiten des Kunstbetriebs erstaunlich lange auf sich warten. Mittlerweile hat sich die Situation nahezu verkehrt, sodass nicht nur Video- und filmische Arbeiten zur Selbstverständlichkeit geworden sind, sondern sich in den letzten Jahren auch ganze Ausstellungen speziell diesen Medien widmeten. Die anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Hamburger Bahnhofs veranstaltete Schau wird - ganz dem gattungsübergreifenden Thema entsprechend - im Kinosaal fortgesetzt, nämlich in Form einer vielteiligen Filmreihe: Neben Godard, Anger oder Farocki finden sich hier auch Serra oder Polke, aber auch jüngere Positionen wie Runa Islam oder Johanna Billing werden dem Publikum nicht vorenthalten. Trotzdem steht die museale Ausstellung ganz im Zeichen des Kanons (Warhol, Broodthaers, Paik, Rist usw.) - wie es die Programmatik der Flick-Sammlung ja bekanntlich auch nicht anders vorgibt; jedoch wählte man statt einer chronologischen Ordnung die Unterteilung in thematische Gruppen, deren Betitelungen wie "Lichtspiele" oder "Trugbilder" fast schon naiv anmuten, dabei aber doch die Essenz des Filmischen zu fassen versuchen. Noch entscheidender für die zumeist installativen Arbeiten ist letztlich die raumspezifische Komponente, der mit den großzügig dimensionierten Rieck-Hallen wohltuend entsprochen wird: Doug Aitkens wandfüllende, nahezu immersive 7-Kanal-Videoinstallation "eraser" hypnotisiert mit einem Sog aus teils manierierten Sequenzen, teils ruhigen wie insistierenden Aufnahmen eines nachzivilisatorischen Inselgebiets Westindiens; der atmosphärisch pulsierende Sound tut sein übriges, um den Betrachter vollends in der zu durchschreitenden Bilderflut gefangen zu nehmen. In John Masseys triptychal angeordneter Arbeit "As the Hammer Strikes (A Partial Illustration)" sind die beiden Protagonisten selbst gleichsam in der Echtzeit eingesperrt, einzig die flankierenden Visualisierungen ihrer Imagination stellen die Befreiung aus dem raumzeitlichen Kontinuum einer gewöhnlichen Autofahrt dar. Frühe (Werbe-)Filmaufnahmen von Zugfahrten wiederum zeigt Stan Douglas in "Overture", die er mit Auszügen aus Prousts "Suche nach der verlorenen Zeit" akustisch ergänzt und so mehrfach motivisch die Anfänge des Kinos thematisiert. Der Künstler selbst ist - ebenso wie Christopher Eamon (Kramlich Collection, San Francisco) - auch einer der insgesamt vier Kuratoren der Ausstellung, und sie beide zeichnen darüber hinaus verantwortlich für die hochkarätig besetzte Vortragsreihe, bei der u.a. Tom Gunning oder Mary Ann Doane teilnehmen werden. Auch wenn bei der Auswahl der 27 Arbeiten darauf geachtet wurde, den zeitlichen Umfang möglichst besucherfreundlich zu gestalten (Gesamtdauer: ca. 4h), sollte man sich also auf jeden Fall die nötige Muße für diese Ausstellung nehmen.
Mehr Texte von Naoko Kaltschmidt

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Jenseits des Kinos: Die Kunst der Projektion
29.09.2006 - 25.02.2007

Hamburger Bahnhof - Nationalgalerie der Gegenwart
10557 Berlin, Invalidenstraße 50- 51
Tel: +49 30 266424242
http://www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/hamburger-bahnhof/home.html
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr10-18, Do 10-20, Sa, So 11-18 h


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