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Nichts: Weniger ist manchmal mehr

Nahezu kahle Räume von gleißendem Weiß: Die Frankfurter Schirn hat sich wieder einmal etwas getraut und - vor dem Hintergrund eines paradigmatischen White Cubes - "Nichts" inszeniert. Einem Yves Klein, der so etwas schon Ende der 50er Jahre mit seiner legendären Ausstellung "Le Vide" versuchte, als er der mystischen Leere in einer Pariser Galerie habhaft werden wollte, hätte dieses Arrangement gewiss gefallen. Für andere ist diese retinale Schmalkost, die sich so ostentativ allem verweigert, was zurzeit das Geschehen beherrscht und marktschreierisch hochgejubelt wird - seien es die materialiter ausufernden (Gerümpel-)Installationen eines Meese-Bock-Schlingensief oder die blutleeren Schablonenmalereien der "Neuen Milden" aus Leipzig (samt deren Nachahmungstäter) - hingegen eine Herausforderung. Und manchen könnte diese radikale Verweigerung des schnellen Kunstkonsums gar als Zumutung gelten, beobachtet man etwa verstohlen das bedauernswerte Geschöpf, das als Aufsichtsperson stundenlang der sinnlichen Deprivation der blendend weißen Zelle ausgesetzt ist und dem zur Zerstreuung einzig Martin Creeds in enervierend regelmäßigen Abständen aus dem Lautsprecher dringender "Pfft"-Laut dient ("Work No. 401", 2005) - also ein eigentlich einer ganz anderen Kammer vorbehaltenes Geräusch, das den Genanteren unter den Besuchern schon mal die Schamesröte ins Gesicht zu treiben vermag. Allerdings sollten etliche der historischen Arbeiten, die ungefähr die Hälfte der mit gut 20 Werken eher sparsam bestückten Ausstellung ausmachen, tatsächlich schon damals der Provokation dienen, als man ab Mitte der 60er Jahre - neben einer grundsätzlichen Prädisposition der Epoche für das Ursprüngliche, die Ver-Nichtung des Überkommenen - der Abbildbarkeit der Welt zu misstrauen begann und folgerichtig den Ausstieg aus dem Bild vollzog, indem man sein Heil in der Performance und der Konzeptkunst suchte (die explizit gegen Ad Reinhardts religiös aufgeladene Schwarzmalerei gerichteten Arbeiten von Art & Language und Joseph Kosuth sowie Robert Barrys verbale Beschwörungen des Abwesenden). Dass das Verdikt aber nicht nur das traditionelle Tafelbild traf, sondern auch die technischen Medien mit einschloss, veranschaulichen hier Nam June Paiks "Zen for TV" (1963) oder Christine Kozlovs transparenter Film "No Title" (1967). Der vermutlich fruchtbarste Ansatz für die in der Schau vertretenen Neo-Konzeptualisten rührt jedoch von dem in Wien erst jüngst mit einer Retrospektive geehrten John Baldessari, der der oftmals mit großem Ernst vorgetragenen Konzeptkunst nämlich die Ironie beibrachte. Seinen Niederschlag fand diese humorvolle Herangehensweise vor allem in den wunderbar unscheinbaren und damit erst recht zum inneren Sehen herausfordernden Papierarbeiten, die aufgrund ihrer künstlerischen Unberührtheit umso eher eines die Imagination leitenden Titels bedürfen: Tom Friedmans meditatives "1000 Hours of Staring" oder Spencer Finchs mehr poetisches "Nine Melting Snowflakes". Oder aber der Humor bricht sich auf etwas weniger subtile Weise Bahn, so wie bei Martin Creed zum Beispiel.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Nichts
12.07 - 01.10.2006

Schirn Kunsthalle Frankfurt
60311 Frankfurt am Main, Römerberg
Email: welcome@schirn.de
http://www.schirn.de
Öffnungszeiten: Di - So 11.00-19.00 Uhr, Mi - Sa 11.00-22.00 uhr


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