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täglich alles

Seit Bestehen der Zivilisation gab es ein objektives Kriterium darüber, ob eine Zeitung eine Boulevard-Postille war oder ein seriöses Blatt. Das seriöse Blatt hatte eine eigene Gossip-Abteilung, in der all die Klatschgeschichten und Keifereien, um deretwillen die Menschheit die Massenkommunikation erfunden hatte, separat vorkamen, während die restlichen Ressorts sich auf ihre langweiligen Zuständigkeiten konzentrieren konnten. Der Boulevard demgegenüber brachte alles überall unter. Österreich, ich meine jetzt das Land, hatte so gesehen nur Boulevard. Dann kam "News", und es wurde sowieso anders. Das glänzige Produkt hatte eine höchsteigene, "Leute" genannte Sparte für üble Nachrede und wäre, gälte denn obiges Kriterium noch, damit das erste seriöse Stück Publikationsorgan hierzulande geworden. Doch natürlich wurde es das nicht, und Österreich, ich meine immer noch das Land, ist vielmehr eingetreten in die Ära des postmodernen Durcheinanders. "News" hatte eine eigene Rubrik für all die Neidereien, Kleinkariertheiten und Ressentiments, die ein People-Magazin so braucht, und bestand darüberhinaus zur Gänze aus Neidereien, Kleinkariertheiten und Ressentiments. Es war, um in ästhetischen Begriffen zu reden, die Implosion und das Blow Up des Boulevards in einem. Nun kommt also Österreich, ich meine jetzt die neue Zeitung, und "News" ist täglich geworden. Life & Style & People & Community geben sich ihr buntes Stelldichein, Toni und Lisi haben sich getrennt, und ob unter all den Moden-, Nabel- und Eingeweideschauen auch so etwas wie Außenpolitik stattfindet, ist eigenlich nicht zu entscheiden. Condoleezza Rice ist offenbar bei den Desparate Housewives untergekommen und Downing Street 10 muss die Adresse gewesen sein, in der man Natascha eingesperrt hat. Interessant übrigens, dass Österreich, ich meine die Zeitung und das Land, seine Meldungen offenbar in Hollywood produziert. Österreich ist, einschlägig betrachtet, ein guter Titel. Er lädt zu Verwechslungen ein oder, andersherum, zu falschen Identifizierungen. Wenn einer bei einem "I find des super" ans Möbelhaus denkt oder bei einem "Nicht immer, aber immer öfter" an die Hopfenlimonade, dann ist erreicht, was die Werbeagentur immer wollte. Was die Werbeagentur immer wollte und der Boulevard auch, die sich hier einmal mehr als Geister von einem Geiste zeigen. Österreich ist also gleich Österreich. Hat das nun wirklich jemals einer gewollt?
Mehr Texte von Rainer Metzger

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