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Schüttbilder

Am 28. Februar 1974 wurde Picassos Guernica das Ziel einer Sprayattacke. KILL LIES ALL prangte es plötzlich auf der Riesenleinwand, ein wenig verwirrend, doch auf jeden Fall sehr knallig. Dass gerade das Antigewaltbild schlechthin einen bildzerstörerischen Impuls auf sich gezogen hatte, mochte dabei weniger an seiner Thematik liegen als an seinem Status der Weltberühmtheit, der den Übergriff von vornherein schlagzeilenträchtig machen würde. Picassos Werk hing damals noch im Museum of Modern Art, und es war ein in New York lebender Perser, der sich an ihm verging. Er sollte später seinerseits durchaus berühmt werden, und ausschlaggebend dafür war nicht die Tat. Er sollte berühmt werden als Galerist. Nachdem er sich längst etabliert hatte, wollte Tony Shafrazi naturgemäß nicht mehr viel wissen von seinem seinerzeitigen Ungestüm, und er hatte es gewissermaßen auch nicht mehr nötig. Er habe eine artistische Handlung an "Guernica" vollzogen, sagte er später. Es sei eine rein piktorale und genuin bildnerische Aktion gewesen, weswegen sich die Umsetzung in gesprochene und geschriebene Sprache verbiete; die Tat sei ein "Rätsel" und verlange nach einer Interpretation und nicht nach einem etwaigen Geständnis. Shafrazi sagte, was man eben so sagt, wenn einem etwas peinlich ist und man über die intellektuellen und verbalen Fähigkeiten verfügt, diese Peinlichkeit diskursiv zu bemänteln. Der unbekannte Künstler, der mit der Attacke gegen das Jahrhundertbild den Jahrhundertkünstler meint und hofft, mit dem Kurzzeitspektakel und den etwas längerfristigen Folgen, die er angerichtet hat, seinen Platz in der Ökonomie der Aufmerksamkeit zu besetzen, revidiert später seine Strategien und spielt das Spiel der Konkurrenz nunmehr auf die legalste Weise. Der Weg vom Sprayer zum Player markiert eine bemerkenswerte Karriere. Hans-Joachim Bohlmann ist eine solche Laufbahn versagt geblieben, und also ist er wieder einmal geworden, was man in seinem Fall straffällig nennt. Bohlmann hatte vor zehn Jahren in der Münchner Alten Pinakothek Hand an drei Gemälde Albrecht Dürers gelegt. Insgesamt sind es mehr als 50 Bilder, an denen er sich, im Verlauf von dreißig Jahren und zum Verlust von etwa 130 Millionen Euro, verging. Anfang 2005 erst war er aus dem Gefängnis entlassen worden. Vergangene Woche nun hat Bohlmann im Rijksmuseum von Amsterdam einen Bartholomeus van der Helst erwischt. Wieder einmal ein Säureanschlag. Bohlmann, der Bilderschütter. Wie es heißt, ist der Schaden reparabel.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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