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ART 37 Basel: Schnelles Vergnügen

Mittags war im Grunde schon alles gelaufen. Das alljährliche Rennen um vorzeitigen Einlass zur Art Basel nahm dieses Jahr fast komische Züge an. So erschlich sich ein als Handwerker verkleideter Sammler Zutritt. Nach zwei Stunden war dann, wie in den Vorjahren auch, zumindest im klassischen Bereich im Erdgeschoss das Beste ausverkauft. Und das bei Preisen, die nicht nur dem Normalbürger, sondern auch Marktkennern Tränen in die Augen treiben. Sammler aus der ganzen Welt, seltener Museen, stürmen die Halle unmittelbar nach Oeffnung und kaufen bei "ihrem" Galeristen, was er gerade anbietet. Hans Mayer erhielt Schlag elf Uhr Besuch von einem deutschen Sammler, der ihm eine monumentale Arbeit von Frank Stella aus dem Jahr 1994 für einen mittleren sechsstelligen Betrag verkaufte. Damit liegt der Düsseldorfer durchaus noch im gemässigten Rahmen. Im Zuge des Picasso-Hypes erreichen die Preise für Werke des Spaniers absurde Höhen. Während die Galerie Thomas aus München für den kraftvollen und expressiven "Tete d`Homme" von 1969 relativ bescheidene 2,1 Mio. Euro verlangt, möchte die Mailänder Galerie Tega für ein zwar grösseres, aber ungleich schwächeres Frauenbildnis aus dem gleichen Jahr sagenhafte 3,9 Mio. Euro sehen. Richtig teuer wird es dann bei der weltweit präsenten Firma Marlborough. Für Francis Bacons Triptychon "Three studies of the human body" müssen 19 Mio. Dollar bezahlt werden. Lyonel Feiningers "Steamer Odin? von 1917 war mittags für 9 Mio. Euro verkauft. Viel Bild fürs Geld bietet dagegen Andy Warhols wandfüllender "Double Hamburger" von 1985/86, der für 8,5 Mio. Dollar zu haben ist. Einen kunsthistorischen Leckerbissen bietet Aurel Scheibler aus Berlin (früher Köln) an. "Der Mann am Baum" aus dem Jahr 1969 ist das erste Kopf stehende Gemälde von Georg Baselitz für 2,5 Mio. Euro. Es geht allerdings auch preiswerter. Nach dem kürzlich erzielten Rekord von 66.000 Euro für eine kleine Arbeit von Carlos Cruz-Diez erscheinen die 59.000 Euro bei der einheimischen Galerie von Bartha für eine doppelt so grosse Physiochromie geradezu billig - allerdings ist das Werk auch 20 Jahre jünger. Mit einigen Innovationen versucht die Messe, dem sich ständig ändernden Markt entgegen zu kommen. So werden vereinzelt Galerien aus dem oberen Bereich der aktuellen Kunst in den unteren geholt. Judy Lybke von Eigen+Art aus Berlin und Leipzig lässt allerdings nicht locken. Er besteht auf seinem abgelegenen Stand in einer Ecke des Obergeschosses, nicht zuletzt weil seine Sammler hier weniger auffallen. Er hat auch gar nichts mehr zu verkaufen. Ab 15.19 Uhr war kein Werk mehr übrig. Von seinem aktuellen Star Matthias Weischer hatte er erst gar nichts Verkäufliches mitbringen können. Da er trotzdem etwas zeigen wollte, hat er eine grosse Arbeit des Leipziger Museums ausgeliehen. Im Erdgeschoss ist hingegen bei Ernst Hilger aus Wien fast ausschliesslich Zeitgenössisches zu sehen. Die Computerarbeiten von John Gerrard zeigen dreidimensionale Bilder, die sich mit dem drehbaren Monitor mitbewegen und so eine Rundumansicht erlauben. Das "Portrait to Smile Once a Year (Mary)" soll sogar einmal im Jahr lächeln (Auflage 6, Preis 30.000 Euro). Die früher so spannende ganz junge Kunst der Art Statements ist leider in die Art Unlimited-Halle gezogen, wo sie völlig untergeht. Die vielgerühmten Grossprojekte selbst haben heuer etwas von Jahrmarkt - es gibt sogar ein verspiegeltes Karussel. Das an ihrer Stelle in die Halle 2 gerückte Dutzend Galerien der Art Premiere kann nicht recht überzeugen. Immerhin freut es zu sehen, dass selbst die Königin der Kunstmessen im Folgejahr noch Dinge besser machen kann.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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ART 37 Basel
14 - 18.06.2006

Art Basel
4005 Basel, Messe Basel, Messeplatz Halle 1 und 2
http://www.artbasel.com


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