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Katharina Grosse: Geisterbahn des guten Geschmacks

Abstrakte Malerei ist in der Gegenwart eine Angelegenheit des Minimalen, und entsprechend kämpfen alle, die sich ihr unverdrossen verschreiben, um die Aufmerksamkeit für den winzig kleinen Unterschied. Eine Farbschicht mehr oder weniger, der Überzug, der am Rand aufhört oder aber um den Rahmen herumgeführt wird, liefern unter diesen Umständen veritable Weltbilder. Abstrakte Malerei ist eine Angelegenheit von Sensibilitäten, und so sticht die Brachialität, die im Moment in der Galerie nächst St. Stephan zu sehen ist, buchstäblich ins Auge.

Katharina Grosse, Jahrgang 1961, seit kurzem Kunstprofessorin in Berlin und im nächsten Jahr Repräsentantin Deutschlands auf der Biennale von Sao Paulo, traktiert die Leinwände und Aluplatten ihrer Bilder nämlich mit allem, was klassisch modern einen Fauxpas ausmacht. Die Oberflächenbehandlung ist dem Graffiti entlehnt, und entsprechend schreiend, grell und unverfroren kommt die Buntheit daher. Die Malerei des Modernismus, so fällt es einem wie Schuppen von den Augen, war bei aller Avanciertheit stets eine Angelegenheit des Angenehmen. Abstraktion zielte auf Subtilität und also auf Schönheit.

Was Katharina Grosse macht, ist dagegen häßlich. Sie begegnet der angestammten Reduziertheit mit Pop-Gesten und der leisen Positionierung mit der lauten Reviermarkierung: Mit den Strategien von Sprayern eben. Diese Strategien legen sich über konventionelle Tafelbilder oder auch über Raumecken und Wandabschnitte der Galerie. Ihren Ursprüngen in der Subkultur entsprechend machen sie vor keinem Träger halt. Das muß den Augen nicht gefallen, doch vielleicht dem Denken. Denn man bekommt vorgeführt, wie brav im Grunde die Ansprüche der Abstraktion ausgefallen waren. Und wie aufs Brave gepolt ihrerseits die Seherwartungen sind, die an der Abstraktion geschult wurden. Katharina Grosses Ausstellung ist demgegenüber eine Geisterbahn des guten Geschmacks.

Mehr Texte von Rainer Metzger

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Katharina Grosse
12.05 - 28.07.2001

Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
1010 Wien, Grünangerg. 1/2
Tel: +43 1 5121266, Fax: +43 1 5134307
Email: galerie@schwarzwaelder.at
http://www.schwarzwaelder.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa: 11-16h


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