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Erik Bulatov - Freiheit ist Freiheit: Über den Wolken

Erik Bulatov ist ein Relikt. Und seine Kunst ein erstaunlicher Anachronismus. Denn Erik Bulatov glaubt - was uns abgeklärten und detachierten Heutigen geradezu naiv anmuten muss - noch an die metaphysische Macht der Kunst; daran, dass die Kunst ein quasireligiöses und ursprünglich von den Romantikern in sie hineingelegtes Heilsversprechen bereithält, die irdischen Drangsale transzendieren und ein hehres ästhetisches Reich sui generis bilden zu können. Er glaubt also an die erlösende Kraft der Kunst. Man kann das auch gut verstehen. Schließlich litt der 73-jährige Erik Bulatov, der als der bedeutendste russische Maler der Gegenwart gilt, lange genug unter den Pressionen des sowjetischen Staates, der den missliebigen, der Doktrin des sozialistischen Realismus nicht willfahrenden Künstler dazu zwang, sich über Jahrzehnte als Kinderbuchillustrator zu verdingen. Folglich kann es nicht verwundern, dass Bulatov in dieser Zwangslage die Erfüllung all seiner insistenten Sehnsüchte seinen Bildern übertrug, Bilder, die neben der Utopie aber auch noch - innerhalb der Soz-Art - die Kritik der herrschenden Ideologie pflegten: also ein gleich in zweifacher Weise den Status quo diskreditierender Frevel, der notwendig die Zensur herausfordern und zu einem bis zum Ende des kommunistischen Regimes andauernden Ausstellungsverbot führen musste. Das alles ist nun schon eine Weile her. Der inzwischen eingetretene Wandel der politischen und damit auch kulturellen Verhältnisse zeigt sich schon alleine daran, dass man Bulatov heuer mit einer großen Einzelausstellung in der Moskauer Tretjakov Galerie ehren wird. Und doch gewinnt man jetzt anhand der in Hannover gezeigten jüngeren Produktion (seit 1989) den Eindruck, dass für den Künstler die Zeit stehengeblieben und er etwas in der erprobten Pose des Widerstandskämpfers erstarrt ist. Denn noch immer ficht der mittlerweile in Paris lebende Bulatov auf seinen Leinwänden für eine fiktive Freiheit, die zumeist in das Symbol eines wolkenübersäten Himmels lockendster Bläue gefasst wird. Der Zugang zu diesem soghaften Bildraum wird einem aber gerne durch undurchdringliche Sperren (Gitterstrukturen, in konstruktivistischer Manier aufgetragene kyrillische Buchstaben vorwiegend parolenhafter Bedeutung) erschwert, sodass hier ein gleichsam manichäischer Kampf zwischen dem illusionistischen Tiefenraum und der Bildfläche zur Aufführung gelangt, die nach Aussage des Künstlers stellvertretend für die Kräfte des Guten (das Reich der Freiheit) und des Bösen (der von Bulatov verteufelte "soziale Raum") zu stehen haben; ein plakativer Widerstreit, der übrigens auch in der Farbwahl seinen Niederschlag findet (das aggressive, sowjetisch konnotierte Rot etwa ist immer der Anstrich des Üblen). Wenn sich Bulatov in seinem Kämpfertum dabei nicht der Donquichoterie hingibt - im Jahr 2005 wird noch einmal der Popanz der KPdSU aus der historischen Mottenkiste geholt -, nimmt er nunmehr in altbewährter Weise kapitalistische Auswüchse wie die Unterhaltungsindustrie oder das Kunstspektakel aufs Korn. Wozu er sich jetzt ja die Freiheit nehmen kann.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Erik Bulatov - Freiheit ist Freiheit
24.02 - 28.05.2006

Kestner Gesellschaft
30159 Hannover, Goseriede 11
Tel: +49 511 70120 10
Email: kestner@kestnergesellschaft.de
https://kestnergesellschaft.de
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 10-20 h


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