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Medaillenspiegel

Nun sind wir also dritter geworden. Wir, das heisst wir Österreicher, haben das beste Ergebnis überhaupt erzielt und uns damit jenes "aller Zeiten" verdient, das man gerne hinten anhängt, wenn man es besonders emphatisch meint. Dafür war uns bekanntlich jedes Mittel recht. Es soll ja viele Mittel geben mittlerweile. Lange Zeit war der Medaillenspiegel nicht das, was er heute wieder ist. Selbst die Deutschen tragen ihn jetzt stolz vor sich her, und wenn die Süddeutsche oder sogar die nationaler Umtriebe durchaus verdächtige F.A.Z. die Olympiarangliste jahrzehntelang schlicht auf dem Index hatten, so stellen sie das Ranking wieder stolz auf die Sportseite. Das mag daran liegen, dass die Wiedervereinigung zumindest den einen Vorteil der ewigen Nummer eins bei den Winterspielen eintrug. Das liegt aber sicher auch daran, dass der einfache Geist des Menschen etwas braucht, um sich festzuhalten in den Stürmen der Globalisierung. Mit Sport ist bekanntlich gut Kompensation treiben. Und das Nationale liegt einem dann doch näher als das Internationale. Rankings kommen ja aus dem Ästhetikbereich. Nach Roger de Piles` Initialzündung im Jahr 1708, als er Maler und ihr Können in vier Kategorien einteilte und ihnen Punkte zwischen eins und zwanzig zumaß, hat man sich unermüdlich mit Charts bei Laune gehalten. Die einschlägigste von allen ist die der Surrealisten aus dem Jahr 1921, die auf den Namen "Liquidationsliste" gebracht wurde. Die Mitglieder und Freunde durften dabei ihrer Einschätzung von lebenden oder toten Personen des Kulturgeschehens Ausdruck verleihen, indem sie ihnen zwischen -25 und +20 Punkte gaben. Aus den Votings wurde ein Durchschnitt errechnet, und so ergab sich die Reihenfolge der Heroen und Versager. Letzter in der Liste wurde ein heute eher unbekannter Symbolist namens Henri de Regnier mit -22,90 Durchnittspunkten, aber auch Voltaire mit -15,27 oder Emile Zola mit -13,68 kamen eher nicht gut weg. Interessant wird es, blickt man nach vorne. Der Marquis de Sade etwa ist sechzehnter mit + 11,27 Punkten, Charlie Chaplin liegt auf Rang drei mit deren +16,09. Und wer ist erster? Es ist André Breton, der Propagator der Surrealisten und Erdenker der Liste, mit + 16,85 Punkten. Der Chef, wer sonst? Und hier sind wir wieder beim Medaillenspiegel. Lassen wir diesbezüglich einen Vorfahren Bretons zu Wort kommen, den Dorfobersten Majestix: "Das ist es", sagt er in "Asterix bei den Olympischen Spielen" sehr treffend, "was ich unter Sport verstehe: keinerlei Ungewissheit". Und ein wenig Zaubertrank kann dann auch nicht schaden.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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