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Rückkehr ins All: Raumkunst

Das Zeitalter der Utopien scheint unwiderruflich vorbei. Und die große Desillusionierung hat dabei auch vor einem der wohl ältesten Menschheitsträume nicht haltgemacht, dessen Verwirklichung man vor nicht viel mehr als einer Generation doch noch so hoffnungsvoll in Angriff nahm: Gleichwohl ist die Vermessung und Eroberung des Himmels in Form der modernen Weltraumfahrt mittlerweile ins Stocken geraten; die astronautischen Missionen verlaufen oftmals ohne Fortune - oder tragisch; wie überhaupt mit dem Ende des Kalten Krieges, als dessen Kind man die immer auch agonale Raumfahrt ansehen muss, das eigentliche Movens verloren ging. Kurzum: Die Euphorie, die einst sogar - im Alltagsdesign der 60er Jahre - das Space Age heraufführte, ist verflogen. Nach den Vorstellungen der Hamburger Kunsthalle soll sich nun vermehrt die Kunst dieses Sinnvakuums angenommen haben, man vermutet demnach seit den 90er Jahren, also zeitgleich mit dem Einsetzen der manifesten Krise, ein Wiederaufflammen des Interesses an der Astronautik. (Dabei befremdet es etwas, dass rund die Hälfte der dies vorführenden Werke erst anlässlich der Ausstellung von einem potenten und in der Weltraumforschung engagierten Sponsor in Auftrag gegeben wurde, wodurch man letztlich den unglücklichen Eindruck erweckt, hier eine Tendenz wenn nicht erfunden, so doch massiv verstärkt zu haben.) Allerdings erweist sich rasch, dass auch in die Kunst, die die levitativen Anstrengungen immer mit unbedingtem Wohlwollen begleitet hat - man denke etwa an Malewitschs kosmologischen Suprematismus oder Otto Pienes Ende der sechziger Jahre lancierte Sky Art - statt einer naiven Fortschrittsgläubigkeit nun allumfassende Skepsis eingezogen ist; eine Skepsis, die es den Künstlern versagt, sich dem Gegenstand jetzt auf ungebrochene, unvermittelte Weise anzunähern: Solche freilich die ganze Postmoderne kennzeichnenden Distanzierungsstrategien bestehen mithin in dem Rekurs auf bereits vorhandene künstlerische Arbeiten oder in der - gerade hier - jede Erhabenheit und jedes Pathos fernhaltenden Ironisierung des Werks. Die zersetzende Wirkung der Ironie kommt dabei besonders bei den zahlreichen aus poveren Materialien gefertigten Modellen (Tom Sachs? die himmelfahrende Hoffart des Menschen ausstellende Skulptur eines Space Shuttle, Björn Dahlems gerümpelhafte Vision eines Schwarzen Lochs) oder bei den die Astronautik als männliche Domäne begreifenden feministischen Spitzen zur Geltung (Sylvie Fleurys installative Umcodierung der phallischen Rakete). Aus dem (pop)kulturellen Archiv in seinen medialen Ausprägungen Film, Fernsehen, Graphik bedienen sich wiederum William Kentridge, Bjorn Melhus oder Glenn Brown, um ihre teils ausufernden Auseinandersetzungen (Kentridge mit seiner schon auf der letzten Biennale enttäuschenden Méliès-Adaption, Melhus mit einer im Grunde auch nicht überzeugenden Paraphrase der Star Trek-Serie, Brown mit einer zumindest maltechnisch bestechenden Appropriation) mit dem Science Fiction-Genre zu bestreiten. Die vielleicht schönste Arbeit aber stammt schließlich von Beate Engl, die mit wenigen Eingriffen einem Technikraum die Anmutung einer Raumschiffzelle verliehen hat. Sich in Einfachheit zu üben ist eben manchmal die höchste Kunst.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Rückkehr ins All
23.09.2005 - 12.02.2006

Hamburger Kunsthalle
20095 Hamburg, Glockengießerwall
Tel: ++49 (0) 40 428 131 200, Fax: ++49 (0) 40 428 54 34 09
Email: info@hamburger-kunsthalle.de
http://www.hamburger-kunsthalle.de
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 h, Do 10-21 h


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