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Archäologe der Sinne

Ohne Übertreibung kann Peter Kubelka als einer der wichtigsten Protagonisten des internationalen Avantgardefilms bezeichnet werden. Seine seit Mitte der 1950er Jahre entstandenen, gerade mal sieben Filme, von denen keiner eine Länge von 16 Minuten überschreitet, haben in ihrer Radikalität und medienspezifischen Reflexivität wesentliche Impulse gesetzt und gelten bis heute als Meilensteine der Filmgeschichte. Am Beginn stehen die sogenannten metrischen Arbeiten, von denen bereits die in schwarzweiß gehaltene, repetitive Abfolge grob umrissener, tanzender Figuren in "Adebar" (1957) immense formale Reduktionen aufweist. In "Schwechater" (1958) steigert Kubelka diese Vorgehensweise, indem er mit dem einzelnen Kader operiert, das Resultat davon ist eine visuelle wie akustische Reizüberflutung von nahezu halluzinatorischer Qualität. Die Abstraktion kulminiert schließlich in der gänzlichen "Eliminierung des Bildes" (Amos Vogel) in Form der Lichtkomposition "Arnulf Rainer" (1960), die aus dem komponierten Wechsel von Schwarz- und Weißbild besteht, während sich die Tonspur aus Rauschfragmenten zusammensetzt. Diese Filme sollten Kubelka bald in den USA bekannt machen und Persönlichkeiten wie Stan Brakhage oder Jonas Mekas nahebringen, deren reger Austausch etwa auch die Gründung der New Yorker "Film-Makers` Co-operative" beeinflusste. Nach diesen ersten Filmen markiert "Unsere Afrikareise" (1961-66) einen Wendepunkt im Schaffen Kubelkas; zwar handelt es sich nach wie vor um eine höchst akribische, einer Partitur folgenden Montage, bei der dem Bild-Ton-Verhältnis enorme Wichtigkeit zukommt, gleichzeitig weist der Film aber auch dokumentarische Züge auf, die in ihrer brutalen Entblößung und Anklage von seltener Kraft sind. In diese Zeit datiert ebenso die gerne auch selbst zitierte Entspezialisierung Kubelkas, durch die er beginnt, sich verstärkt kulturhistorischen, evolutionsbedingten und philosophischen Fragestellungen - kurz den großen Zusammenhängen der Welt - zu widmen, was sich auch in der für ihn so elementaren Praxis des Kochens widerspiegelt, die er in seine über Jahrzehnte gehaltenen, oft unkonventionellen Vorträge immer wieder gerne integriert. Eine dieser legendären Lectures wird nun einem größeren Publikum zugänglich gemacht, welches somit dieses regelrecht theatrale Ereignis nahezu ungeschnitten mitverfolgen und ebenso erleben kann, wie der Hauptdarsteller etwa Formen von noch heute erhältlichem Brot als archaisch erklärt, chinesische Schriftzeichen erläutert oder auch mal eine Filmrolle durch die Zuschauerreihen reicht. Und letztendlich haben all diese, mitunter bis zu den Anfängen menschlicher Zivilisation zurückreichenden Beobachtungen, sowie natürlich die eigenen Arbeiten (von denen die oben erwähnten quasi in Echtzeit festgehalten sind) immer auch mit dem Kino und dem Film zu tun, denn dieser, so Kubelka, bestimmt unser Denken fundamental. Um dies zu demonstrieren, fungiert das von Kubelka konzipierte "Unsichtbare Kino" des österreichischen Filmmuseums, dessen Mitbegründer und langjähriger Kurator er war, als der wohl passendste Austragungsort für diese spannende Expedition in den Kopf des Filmemachers. Peter Kubelka: Film als Ereignis, Film als Sprache, Denken als Film Ein Vortrag mit Beispielen, gehalten im Österreichischen Filmmuseum am 10. November 2002 im Rahmen des Symposiums FILM/DENKEN (Zone DVD) Preis: Eur 28,- www.filmmuseum.at
Mehr Texte von Naoko Kaltschmidt

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