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Monet und Camille. Frauenportraits im Impressionismus: An eine, die vorüberging

Die Titelzeile dieses berühmten Baudelaire-Gedichts hätte wohl gleich in mehrfacher Weise auf Camille-Léonie Doncieux übertragen werden können, denn Monets große Muse und spätere Ehefrau, die er so oft malte wie niemanden sonst, starb kaum dreißigjährig einen beklagenswert frühen Tod. 1866 aber, als alles erst im Beginnen war, stand die juvenile Camille dem noch um Anerkennung ringenden Maler für das Bild Modell, das, seit genau hundert Jahren stolzer Besitz der Bremer Kunsthalle und eben durch eine Restauration frisch herausgeputzt, dort nun den glänzenden Mittelpunkt einer bemerkenswerten Ausstellung gibt. Camille scheint darauf - prächtig à la mode gekleidet - genau in dem Moment eingefangen, in dem sie beim Durchschreiten eines ortlosen Dunkels (der Raum wird lediglich durch einen Vorhang, vielleicht das Zitat eines alten Hoheitsmotivs, akzentuiert) kurz den Gang verhält, um etwas in ihrem Rücken zu lauschen. Das Besondere dieser Inszenierung liegt, neben der - so wenig an Monets impressionistischen Duktus gemahnenden - geradezu altmeisterlichen Delikatesse in der Wiedergabe der Texturen, vor allem darin, dass das ganzfigurige Portrait, das traditionell höchsten Repräsentationsbildern vorbehalten war, hier einem eigentlich unwürdigen Motiv erschlossen wurde. Die bourgeoise Aneignung dieses aristokratischen Formats diente aber, aufgrund der durch die Rücken- bzw. Profilansicht bedingten Unkenntlichkeit des Modells, auch nicht der Herstellung eines privaten Erinnerungsbildes, sondern - so die durchaus einleuchtende These der Ausstellung - der provokant-nobilitierenden Vorführung eines exemplarischen Typus einer modernen Pariserin: La Parisienne. Monet erfüllte damit nicht nur die vom Salonkritiker Baudelaire an die Künstler ergangene Forderung, endlich Zeitgenossenschaft zu bezeugen und zu Malern des modernen Lebens zu werden, er erstrebte durch diese strategische Rekalibrierung einer dem Akademismus zufolge minderwertigen Bildgattung vor allem, ein Bravourstück seiner Kunst zu liefern und sich dem Publikum als unkonventioneller, regelsprengender Maler anzuempfehlen. Monet verfolgte jedoch keineswegs als einziger ein solches Programm. Zum Beleg dafür wird im Sanktuarium der Ausstellung ein Quartett erlesener präimpressionistischer Weiblichkeit versammelt: Neben die "Camille" treten dort Renoirs in weiches Sommerlicht getauchte "Lise", Manets von aufreizender Rätselhaftigkeit gezeichnete "Junge Frau 1866" sowie die klassisch-konzentrierte "Madame Durant" von Carolus-Duran, der das neue Bildkonzept späterhin freilich wieder der Memorialfunktion annäherte und damit zum gefragtesten Portraitisten des nach konventioneller Repräsentation verlangenden Bürgertums wurde. Gerahmt werden diese Kostbarkeiten in den verschiedenen Kabinetten von weiteren Bildern und Studien Monets, von Tableaux eines Corot, Whistler oder Degas und schließlich von Photographien und Modezeitschriften, die den Malern zur Inspiration dienten. Im ganzen eine Veranstaltung, die gelöste Schaulust und wissenschaftlich-intellektuellen Anspruch auf das vergnüglichste vereinigt.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Monet und Camille. Frauenportraits im Impressionismus
15.10.2005 - 26.02.2006

Kunsthalle Bremen
28195 Bremen, Am Wall 207
Tel: +49(0) 421 329 08 -0, Fax: +49(0) 421 329 08 -47
Email: office@kunsthalle-bremen.de
http://www.kunsthalle-bremen.de
Öffnungszeiten: Di 10.00 - 21.00 Uhr, Mi - So 10.00 - 17.00 Uhr


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