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Reprivatisierung

1867 war Adolph Menzel in Paris. Dort konnte er die Weltausstellung sehen und auch die One-Man-Show von Edouard Manet, der damit dem Vorbild Courbet, der es bei der Vorgänger-Exposition von 1855 mit einem Einzelpavillon versucht hatte, gefolgt war. Zurückgekommen nach Berlin malte Menzel "Ein Nachmittag im Tuileriengarten", das ganz deutlich Manet verpflichtet ist. Bis vor kurzem konnte man Menzels Blick aufs sommerlich-sonntägliche Treiben in Dresden bewundern und mit dem Bild den Reim, den sich der zweitbeste Maler des Jahrhunderts auf den besten machte. Nun hängt das Werk in Londons National Gallery, und es ließe sich sagen, dorthin ist es auch nicht sehr viel weiter. Glück gehabt, denn normalerweise wandern Bilder mit dem Schicksal von Menzels Tuileriengarten entweder nach Malibu, wo das dortige Getty immer noch mit den Pfunden wuchert, oder gleich an die Fleischtöpfe irgenwelcher nah- oder fernöstlicher Magnaten. Die Restitituon hat wieder einmal zugeschlagen, ein Paar Händler und Auktionshäuser haben mitverdient, und die Galerie Neuer Meister schaut mit dem Ofenrohr ins Gebirg. Die Restitution. Man hat sich angewöhnt, solche Rückübertragungen an die Erben von Vorbesitzern, denen die Kunststücke in der Nazizeit abgepresst wurden, für moralisch zu halten. Das mag ja auch so sein. Doch wie meistens bei der Moral schlägt auch hier die Dialektik zu. Die Dialektik der Aufklärung, und die ist bekanntlich deckungsgleich mit der Logik des Kapitalismus. Wie die Achtundsechziger unermüdlich erklären, war ihr Projekt die Emanzipation, und die haben wir, gestählt von Affirmation Action und knallharten Diskursen, natürlich alle gut zu finden. Was aber herauskommt, wenn die Normen in Frage gestellt und die Autoritäten gestürzt und die ewigen Wahrheiten zersetzt sind, hört auf ein einziges Wort: Wettbewerb. Was übrigbleibt, ist nackte Ökonomie. Nichts anderes passiert bei der Restitution. Die gut gemeinte Entschädigung ist nichts anderes als die Überführung ehedem öffentlichen Besitzes in persönlichen. Restitution ist Reprivatisierung, und bei der ist es völlig egal, ob sie Telefongesellschaften, Stahlkonzerne oder Bilder von der Wand auf den Markt wirft. Bei der Telekom oder der Voest bleibt immerhin ein bisschen was in der Staatskasse. Bei den Bildern bleibt nichts. Diesen fehlenden Rest verbucht man dann für die Moral.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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