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art.fair 2005: Die Kunstmesse als Dorfdisco

Flakscheinwerfer zerschneiden den Himmel in Kölns Norden und weisen den Weg zur art.fair, der Gute-Laune-Messe im Schlepptau der Art Cologne. Nach der ersten Veranstaltung vor zwei Jahren hätte der als Event aufgezogenen Verkaufsschau kaum jemand eine Zukunft zugetraut. Doch das Konzept scheint aufzugehen. Es gelingt den Machern tatsächlich, Publikum anzuziehen, das ansonsten nicht auf dem internationalen Messezirkus zu sehen ist.

Gleiches gilt allerdings für viele der teilnehmenden Galerien. Unvergessen sind die bunten Ananasscheiben aus Plastik, die für kleines Geld und in hoher Auflage 2003 bei einer Krefelder Galerie - heuer wieder dabei - gingen wie geschnitten Brot, während nebenan ein fassungsloser Peter Lindner aus Wien auf seiner überaus moderat bepreisten Konkreten Kunst sitzen blieb.

Dieses Verhältnis hat sich seitdem nicht geändert. Der Messe wird nachgesagt, dass sich hier gut verkaufen ließe. Viele jüngere Galerien versuchen daher zunächst auf der art.fair ihr Glück, da sie sehr wohl wissen, dass sie erst die "Ochsentour durch die Provinz" machen müssen, bevor sie überhaupt an eine Bewerbung für die renommierten Messen in Basel, London, Berlin oder Köln denken können.

Wenn die Rechnung nicht aufgeht, kann es allerdings eng werden. Die Quadratmeterpreise sind nämlich nicht niedriger als anderswo, lediglich die Kojen etwas kleiner. Letztlich geht es wie überall nur um eines. Und das brachte Eröffnungsredner FDP-Parteichef Guido Westerwelle mit sich überschlagender Stimme auf den Punkt: "Sie können das alles hier kaufen! Bis auf die Wände ist alles, was hier ausgestellt ist, käuflich."

Und da ist das Publikum auf seine Art wählerisch. Buntes und Quietschbuntes war gefragt, wie die realistischen Luftballons auf monumentalen Leinwänden von Günter Beier bei der Konstanzer Galerie der Moderne Peter Klemm. Nachdenkliche Positionen wie die Stahlskulpturen des 1974 geborenen Paul Teutsch bei der Galerie Koch aus Hannover haben es da schon schwerer. Besonders wenn sie sich, wie die dreiteilige Arbeit "M-18 Claymore" (Preis 6.000 Euro), deren Form Landminen nachempfunden ist, sich mit so etwas Sperrigem wie Geschichte und Gewalt subtil auseinandersetzen.

Mancher Aussteller rieb sich denn auch etwas verwundert die Augen ob des Spektakels, in das er da geraten war. So war Scott Laugenour von der Galerie Boreas in New York sichtlich irritiert. Höflich zurückhaltend äußerte er, er wolle sich kein Urteil über die Arbeit der Kollegen erlauben, ihm persönlich sei jedoch einiges des hier Gebotenen "too loud". Kein Wunder, arbeitet sein Künstler Adam Bateman doch ausgesprochen konzeptuell. Sein großer Digitalprint "221.000 Tsunamis" (Auflage 7, 1.700 Euro) wirkt auf den ersten Blick wie eine schlichte, monochrom hellgraue Fläche. Bei näherem Hinsehen ergibt sich eine Textur wie aus fein gewebtem Stoff. Erst aus wenigen Zentimetern Distanz löst sich dieses Muster in die schier endlose Aneinanderreihung und Schichtung des Wortes Tsunami auf, die bei Erreichen der Zahl der Todesopfer des Tsunamis 2004 zum Zeitpunkt der Erstellung des Kunstwerkes abbricht. Andreas Greulich aus Frankfurt hatte das Glück, das im Katalog (auf den letzten Seiten der aktuellen Nummer der Zeitschrift "Kunsttermine", auf der Messe für 7 Euro zu haben) abgebildete Gemälde "Elefantenpolo" seiner Künstlerin Anke Schreck bereits im Vorfeld für 3.500 Euro verkauft zu haben. Die Künstlerin spielt in ihren Arbeiten sowohl mit der Tradition der Landschaftsdarstellung als auch mit überkommenen Posen der (Selbst-) Präsentation.

Derart leise Töne gingen zwangsläufig unter im Radau der als "Live-Performances" angekündigten Gauklereinlagen. So zog ein weitgehend nackter Asiate in einer Art Comic-Kampfhund-Verkleidung im Stechschritt durch Gänge, ging an den Kreuzungen in die Hocke und brüllte "Wau-Wau". Später fuhr ein Borg mit offener Schädeldecke mit einem zweirädrigen Hand-Traktor durch die Menge und beschallte die Halle mit Maschinen-Techno. Fellini hätte wahrscheinlich seine Freude an der bizarren Veranstaltung gehabt.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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art.fair 2005
29.10 - 01.11.2005

Expo XXI
50670 Köln, Gladbacher Wall 5
http://www.art-fair.de


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