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Alexander Rodtschenko - Raumkonstruktionen: Die Einbahnstraße der Utopie

Die Frage, ob es eine Alternative gibt zur bürgerlichen, liberalen, kapitalistischen Gesellschaft, ist mangels Möglichkeiten der Beantwortung längst wieder ad acta gelegt. Das Paradies bleibt verschlossen, und jenen zweiten Eingang hat die Geschichte gründlich diskreditiert. Denn da war ja doch was, damals, als das Ästhetische noch ganz bei sich war und noch nicht ans Moralische und Politische weitergereicht worden ist, damals, als alles verändert und so im Werden war, dass in der Bewegung das Ziel lag. Damals, als das Liberale seine notorische Alternative, das Revolutionäre, fand, und damals, als man noch nicht wusste, dass sich das Revolutionäre zum Totalitären verkrusten würde. Damals lebte Alexander Rodtschenko und mit ihm eine aufbruchsselige Clique an Ingenieuren der Seele, die Modelle bastelten für die bessere, gerade angebrochene Zukunft. Das Wiener MAK mit ihrem nostalgischen Direktor Noever erinnert jetzt an Rodtschenko, und angesichts dessen, was an Relikten und Reliquien zu sehen ist, kann man gut nachvollziehen, wie es nichts geworden ist mit der Alternative zum Bourgeoisen. Es gibt einige Zeichnungen, Entwürfe, Skizzen zu sehen, in denen Rodtschenko am Image des Künstlers arbeitete, dessen Material plötzlich, nach der Oktoberrevolution, vor der Vergreisung Lenins, die Gesellschaft als Ganzes wurde. So konnte die Kunst einen Lesesaal für einen Arbeiterklub ersinnen, den Sehnsuchtsort schlechthin aller intellektuellen Blütenräume, konnte die Buchcover dort gleich miterfinden, und wäre er der Demiurg gewesen, so hätte Rodtschenko sicher auch den dazugehörigen Werktätigenkörper in Lehm geformt. Und dann gibt es die "Raumkonstruktionen" zu sehen, die der Ausstellung den Titel geben. Rodtschenko ist berühmt für diese hängenden Geometrien, aufgefächert, facettiert, aus der Innigkeit des Werkstoffs heraus gedacht, die perfekten Sinbilder für die Aufbruchsstimmung seinerzeit. Was das MAK davon zeigt, sind schlechterdings Nachbauten, ins Werk gesetzt zwischen 1973 und heute. Und das, so sieht es aus, ist der Weg aller Utopie: Das Modell für die bessere Welt ist ein Modell; die Zukunft arbeitet auch nur mit Zwirn, Nagel und Holzlatte; der Prototyp bleibt Produkt. Es ist schier zum Verzweifeln.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Alexander Rodtschenko - Raumkonstruktionen
26.10.2005 - 26.02.2006

MAK - Museum für angewandte Kunst
1010 Wien, Stubenring 5
Tel: +43 1 711 36-0, Fax: +43 1 713 10 26
Email: office@mak.at
http://www.mak.at
Öffnungszeiten: Di 10-21, Mi-So 10-18 h


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