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Sarah Lucas: Anrüchig

Man nehme ein paar Melonen, Orangen, Gurken, Spiegeleier (besonders gerne Spiegeleier!), bei Bedarf auch Fisch oder ein Hühnchen, drapiere das alles in der entsprechend suggestiven Weise und erhalte - durchaus nichts Appetitliches, sondern die neueste, einmal mehr streng nach Provokation riechende Objekt-Assemblage von Sarah Lucas. Klingt nach einem einfachen Rezept? Ist es auch. Denn bei Ansicht dieser allerersten Retrospektive der englischen Künstlerin, die ihr der Hamburger Kunstverein in Kooperation mit der Kunsthalle Zürich ausrichtet, gewinnt man alsbald den Eindruck, dass ihr Tun - und dieses Planvolle und Berechnete hat sie mit dem gesamten Phänomen der "Young British Artists" (YBA) gemein - vorwiegend einem strategischen Kalkül folgt, dessen Maxime da lautet: Schaffe den nächsten Coup! Das wahre Ärgernis daran ist aber nicht die gar zu offensichtliche Intention zu schockieren, die ihrem Werk programmatisch eingeschrieben ist (eintliehen von den historischen Avantgarden), und auch nicht ihr von jedem Respekt freier, appropriativer Zugriff auf die kanonisierte Kunstgeschichte (was wiederum der Postmoderne geschuldet ist), sondern die penetrante Redundanz und unheimliche Plumpheit, mit der sie dabei vorgeht. Besagte Spiegeleier finden beispielsweise Verwendung in gleich vier Arbeiten (darunter das mittlerweile berühmte "Two fried Eggs and a Kebab" von 1992) und bezeichnen jeweils - wenig überraschend - die weiblichen Brüste. Was Wunder, dass rasch eine gewisse Sättigung eintritt und man sich mit zunehmender Missvergnügtheit ob der vielleicht doch allzu schlichten Symbolik, die allerdings trefflich mit dem radikalen Feminismus einer Andrea Dworkin - auf die sich Lucas explizit bezieht - korrespondiert, mehr für die olfaktorischen Nebenwirkungen der Arrangements zu interessieren beginnt. Als ebenso wenig subtil erweist sich Lucas auch bei der Aneignung kunsthistorischer Klassiker - von denen es ihr vor allem "Übervater" Duchamp angetan zu haben scheint -, weil sich ihre Konfrontation in bloßer Zitation erschöpft und sie dem Hybrid nichts Eigenes, jedenfalls nichts dem Original Eigensinnig-Widerstehendes hinzuzufügen versteht. Wenn sie uns daher in verschiedenster Form Toiletten-Objekte vorstellt, und das geschieht in dieser Ausstellung freilich ebenfalls viermal, dann zehrt sie nur von der Aura des Ur-"Pissoirs" und benutzt es gleichsam als Dispositiv, das heißt als Ausweis der eigenen Kunstwürdigkeit, für ihre marginalen Interventionen. Aber immerhin verdanken wir Sarah Lucas auch die durchaus überraschende Einsicht in die Dekorativität von Zigaretten.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Sarah Lucas
16.07 - 09.10.2005

Kunstverein in Hamburg
20095 Hamburg, Klosterwall 23
Tel: +49 40 33 83 44, Fax: +49 40 32 21 59
Email: hamburg@kunstverein.de
http://www.kunstverein.de/
Öffnungszeiten: Di-So 12-18 h


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