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Bilder

Man hat ja so seine Lieblingskünstler. Seit ich meine Trias an Favoriten trage, seit fünfzehn Jahren etwa, waren unter ihnen immer zwei selbe Namen. Nummer drei mochte variieren, mal Anselm Kiefer heissen, dann Mark Tansey oder Elaine Sturtevant. Nummer eins und zwei brachten es bisweilen soweit, dass sie einander abwechselten. Doch wenn man sie rief, konnte man immer das gleiche sagen: Jeff Wall und Gerhard Richter. Nun hat es sich ergeben, dass sie mir letzte Woche beide vorgeführt worden sind. Mit Retrospektiven, großen Ein-Mann-Schauen, auf dem Präsentierteller. Der eine in München, Kunstbau des Lenbachhauses, der andere in Basel, Schaulager. Beide mit etwa siebzig Arbeiten Rückschau haltend und Umschau andeutend, was es so gibt an Konkurrenz. Um mein persönliches Ergebnis vorwegzunehmen: Einer von den beiden wird jetzt gestrichen aus meiner Liste an Lieblingen. Der Vergleich hat sich wie man so sagt gelohnt. Wie konnte man das schummrige Grau-in-Grau, diese aufgeklebte Serialität, diese wie mit dem Putztuch gewienerten Oberflächen und diese obskuren Selbstfeiern von Farbe als Industrieprodukte jemals gleichziehen lassen mit jenen anderen, von Visualität und Wirklichkeit überbordenden, geschickt Lapidarität und Banalität einstreuenden und dabei keinen Ausgriff ins Groteske scheuenden Inszenierungen, die in aller Wucht nichts anderes sind als Bilder. Mein Chef seinerzeit im Kulturressort des "Standard" pflegte über meine Präferenzen zu sagen "Herr Metzger, je weniger man sieht, um so besser gefällt es Ihnen". Recht hat er gehabt, und es waren sicher die Kalküle mit den Kalkülen, das Konzipieren von Konzepten und die Modernität des Modernismus, die mich dazu brachten, von Richter wie von Wall zu schwärmen. Irgendwann aber muss man sich vielleicht doch entscheiden. Nicht entweder für die Bilder oder für die Gedanken. Aber dafür, warum es sich lohnt mit der Kunst: Um des Gesehenen oder um des Gedachten willen. Jeff Wall hat mich jetzt kuriert. Es geht, so bin ich mir also sicher, darum, vor Augen zu stellen, Darstellungen zu ersinnen und Schauplätze zu liefern, in denen etwas zu sehen ist von der Komplexität der Welt. Ihre Komplexität reduzieren, also denken, kann ich selber.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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