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Franz Huemer - der letzte Rest vom abgespaltenen Paradies: Pandämonium eingetümlichen Kunstwillens

Harald Szeemann schätzte und förderte ihn: Ein netter 80-jähriger Mann, der in Vorarlberg als Sonderling bekannt ist und als Autodidakt in der akademischen Kunstwelt keine Rezeption erfahren hat. Hans Dünser vom Kunstraum Dornbirn freut sich mit Franz Huemer einen echten künstlerischen Geheimtipp präsentieren zu können, der lediglich über eine Bildhauer-Lehre verfügt und als Person sozusagen ein menschliches Gesamtkunstwerk darstelle. Der überwiegende Teil der Exponate sind Wurzeln in denen der Künstler etwas entdeckt, das er oft schon Jahre lang gesucht hat. Sein Blick folgt dabei scheinbaren Zufälligkeiten, so wie es Leonardo da Vinci schon in seinen Anweisungen für eine "neu erfundene Art des Schauens" empfohlen hat. Man solle beispielsweise auf eine gewöhnliche Mauer hinsehen, "die mit allerlei Flecken bekleckst ist, oder auf Gestein von verschiedenem Gemisch" oder "in die Asche im Feuer, in die Wolken, oder im Schlamm - wenn man sie recht betrachtet, wird man sehr wunderbare Erfindungen in ihnen entdecken - Kompositionen von Schlachten, von Tier und Menschen - von ungeheuerlichen Dingen, wie Teufeln, verschiedenartigen Landschaften, (...) lebhaften Stellungen, sonderbar fremdartigen Figuren, Gesichtsmienen (...)". Ein Schlüsselwerk ist seine Bearbeitung des Turiner Grabtuchs, das er in das Zentrum von vielerlei Kritzeleien stellt, die an den phantastischen Realismus erinnern. Bei genauerem Hinsehen entfaltet sich auf dem dicht bemalten Papier die gesamte Lebens- und Leidensgeschichte Jesu Christi. Sein religiöses Interesse führt der Künstler selbst auf einen schizophrenen Schub während seiner Kriegsgefangenschaft in Frankreich zurück, wo er sich plötzlich von allen guten Geistern besessen fühlte und diese Besessenheit dann in Kunst umformen musste. Anklänge an die art brut sind unüberhörbar. Im Eingangsbereich finden sich halbwissenschaftliche Schriften des Künstler, wie etwa Werke zu einer Ufologie. Das Pandämonium an Wurzelwerk, aus dem Gesichtern und Körper herausgeschnitzt worden sind, lädt zu näherer Betrachtung ein. Es steht außer Frage, dass diese natürlichen Fundstücke, die von einem eigentümlichen Kunstwillen verarbeitet wurden, hier in der Inatura, der früheren Dornbirner Naturschau, ihren geeigneten Präsentationsort gefunden haben. Es bleibt zu wünschen, dass die aktuelle Schau zu einer eingehenderen Rezeption des Künstlers in der Kunstwelt in außerhalb Vorarlbergs führen wird.
Mehr Texte von Wolfgang Ölz

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Franz Huemer - der letzte Rest vom abgespaltenen Paradies
08.04 - 29.05.2005

Kunstraum Dornbirn Achstraße
6850 Dornbirn, Achstraße 1
Tel: 0043 55 72 550 44, Fax: 0043 55 72 550 444 838
Email: kunst.raum@dornbirn.at
http://www.kunstraumdornbirn.at


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