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Piet Mondrian: Wer hat Angst vor Rot, Gelb und Blau

Warum tendiert der modernistische Roman zur Komplexität und das modernistische Bild zu deren Reduktion? Warum hat Musil nach dem Törless einen Mann ohne Eigenschaften geschrieben und Joyce nach dem Dubliner einen Ulysses, während aus dem kubistischen Malewitsch der Maler des Schwarzen Quadrats wurde und aus dem Duchamp des eine Treppe hinabsteigenden Aktes der Aufsockler eines Pissbeckens? Nicht, dass die Albertina diese Frage, deren Lösung vielleicht etwas damit zu tun hat, dass man Bilder mit der Realität selbst verwechseln kann, während Texte immer ihren Eigensinn bewahren, nun beantworten würde. Mit Piet Mondrian führt sie einen Paradevertreter des modernistischen Hangs zur Simplifizierung vor. Aber sie feit sich selbst auf bemerkenswerte Weise davor, ihrerseits zu vereinfachen. Womöglich hat sie es wieder auf den Blockbuster abgesehen. Aber sie spielt beileibe nicht einer etwaigen Erwartung eines etwaigen Massenpublikums in die Hände, Mondrians von allen Kaffeetassen und Jugenzimmerpostern dieser Welt her bekanntes Quadratschema zu reproduzieren. Mondrians Karriere ist die Meistererzählung schlechthin für jenen Weg, an dessen Ende ein Ziel steht. Dieses eine Ziel, so sieht es aus, ist der rechte Winkel mit schwarzer Linie auf Fläche in Weiß und der Grundfarbentrias. Dafür absolviert Mondrian seine Ismen im üblichen Zeitraffer von Postimpressionismus über Symbolismus zu Expressionismus zu Kubismus, bis er am Ende mit seinem Plastizismus als Manifestator seiner selbst dasteht. So schreibt sich die Erfolgsgeschichte der Moderne, und die Albertina läßt sie selbstverständlich Revue passieren. Und doch gibt es in der Ausstellung einen eigenartigen Überhang des launischen, des sperrigen und verschrobenen und von diversen Spätpubertierereien beschwerten Frühwerks, bei dem Mondrians Mystizismus noch sehr sichtbar ist. Sperrig und verschroben heißt genauso kompliziert, und auch wenn Kompliziertheit etwas anderes ist als Komplexität, verweigert sie sich doch sehr deutlich der wohlfeilen Konsumption. Die Ausstellung zeigt speziell mit diesem Frühwerk, was aus Mondrian hätte werden können, wenn er kein Modernist geworden wäre. Womöglich gälte er dann als weniger originell. Doch was ist an rot-blau-gelben Kästchen schon originell?
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Piet Mondrian
11.03 - 19.06.2005

Albertina
1010 Wien, Albertinaplatz 1
Tel: +43 1 534 83 -0, Fax: +43 1 533 76 97
Email: info@albertina.at
http://www.albertina.at
Öffnungszeiten: Tägl. 10-18h, Mi 10-21 h


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