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Joseph Zehrer - Freigestellt: Der leise Weg

Dass Kunst etwas mit Theorie, wenn nicht mit Wissenschaft zu tun hat, demonstriert im Moment auf ihre Art Christine König. Die Galeristin aus der Wiener Schleifmühlgasse hat sich ein Freisemester genommen, ein Sabbatical, und ist für ein halbes Jahr vom Betrieb zurückgezogen. Die Vertretung liegt in Hand und Herz von Gabriella Bleich-Rossi, angestammterweise Graz, Bürgergasse. Sie zeigt jetzt den Wienern, was ein Programm ist. Nach dem Beginn mit Jörg Schlick stellt sie Joseph Zehrer vor. Der fünfzigjährige, in Köln lebende Künstler hat ein feines und sensibles, ein leises, aber durchaus dauerhaftes Oeuvre geschaffen, von dem er drei Auschnitte in den drei Räumen verteilt. Zum einen sind Zeitungsseiten an die Wand geheftet, die mit Lack dergestalt traktiert wurden, dass sie transparent erscheinen und sich die Sensationen des gerade Aktuellen nun als Palimpsest und damit in einer der ehrwürdigsten Arten der Überlieferung darbieten. Zum zweiten gibt es zarte Zeichungen zu bewundern, hellgrau auf weiß, die kaum erahnbar Menschen zeigen, die sich über eine Vitrine beugen, um, wie der Titel "Brechtleser" preisgibt, Hinterlassenschaften das Literaten zu studieren; wieder macht sich das Transparente geltend, die Darbietung in Schichten und eine Thematik, in der sich Lektüre mit Zähigkeit verbindet. Zum dritten und abermals im Übereinander durchsichtiger Lagen werden Folienarbeiten präsentiert, auf die in Acrylfarbe jeweils ein Stein und eine Wolke gemalt sind, präzise wie Fotografien, präsent wie Blow Ups, konturiert und kompakt als wären sie freigestellt. "Freigestellt" ist auch der Titel des Ganzen. Schließlich, als bedürfte es der Hommage an die Wiener, ein Stück Aktionismus, das zur Zurückhaltung des Übrigen in makabrem Kontrast steht. Zehrer zeigt sich, wie er genussvoll seine Hände erst mit Öl einreibt, sie anschließend mit Gewürzen bestreut, sodann etwas Spiritus nimmt und die Greifwerkzeuge schließlich - flambiert. Wenn die Hände zu schmerzhafter Letzt vorgeführt werden wie Trophäen, dann hat sich ein feines Rot auf die Haut gelegt. Auch hier wird Transparenz vorgeführt. Wie die Hände nicht wenige Sekunden, sondern einige Stunden später aussahen, verschweigt das Werk. Zehrer ist ein feiner und sensibler Künstler, leise aber dauerhaft.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Joseph Zehrer - Freigestellt
04.03 - 16.04.2005

Galerie Bleich Rossi zu Gast bei Christine König
1040 Wien, Schleifmühlgasse 1A
Tel: +43 1 585 74 74, Fax: +43 1 585 74 74-24
Email: galerie@bleich-rossi.at
http://www.kunstnet.at/koenig
Öffnungszeiten: Di-Fr 13-19 Sa 11-15


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Dergestalt
Joseph Zehrer | 26.04.2005 11:12 | antworten
Hallo Rainer, da hast Du mich überrascht. Danke Grüße Joseph

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