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Die Gartenzwerge

Neulich brach es so richtig heraus aus dem Juwel des deutschsprachigen Feuilletons, und Dietmar Dath, heute F.A.Z., früher Spex, legte in aktuellem Zorn und alter Rechtschreibung also los: "Die wahrhaft teuflische Ironie am Standort Deutschland, der die moderne kommerzielle Jugendkultur vor gerade mal einem halben Jahrhundert aus Amerika und England importiert hat, ist... , daß hier der stumpfsinnigste denkbare Abhub schlecht-einfältigen Kunsthandwerks neuerdings nicht mehr Schunkeln und Gartenzwerg heißen will, sondern Pop." Gerade hatte sich Dath mit einem Plädoyer für den langen, den in vielerlei Haupt- und Nebengedanken verschachtelten Satz ergangen, als er feststellen musste, dass die singende Jugend der deutschen, und man darf hinzufügen deutschsprachigen Länder sich darum einen Deut schert. Es ist auch in der Tat recht unkonventionell, wie man in der neuen Hitparadenträchtigkeit von Juli, Annett Luisan oder Wir sind Helden mit den Reimen, den Versen und der Grammatik umgeht. Nicht, dass ein "A-wop-bop-a-loo-lop a-lop bam boo" oder ein "No Woman, No Cry? einst in Ehrfurcht vor der Oxford-Version des Englischen erstarrt wären. Doch jetzt läßt sich daraus ein Vorwurf drechseln. Dabei hat Dath ja Recht. Er hat Recht nicht in seiner altväterlichen Beflissenheit fürs Hochkulturelle einer ausgerechnet in Liedern zu verbreitenden Treue zu Grimms Wörterbuch. Aber er hat Recht mit seiner Abneigung gegen die mittlerweile 22. Generation des Pop. Nein, nicht gegen die 22. Generation des Pop, sondern gegen den Pop in seiner 22. Generation. Und der treibt beileibe nicht allein in den Charts sein Unwesen. Diese Sorte Pop befällt im Moment mit Vorliebe Maler und läßt sie in Orgien von Düsternis in Rosa ausbrechen, vor denen Neo Rauch auf einmal dasteht als wollte er Agnes Martin rechts überholen. Und um einem Martin Eder Paroli bieten zu können, holen die Deutschen Thomas Scheibitz in ihren venezianischen Pavillon, um ihm wiederum Tino Sehgal gegenüberzustellen, der die Pop-Plapperei mit seinem Konzept-Kitsch kontert. Und so macht dieser Pop mit seiner Abgedroschenheit den Gartenzwergen nicht Konkurrenz. Er ist selbst diese Gartenzwerge. Wie die Wichtel einst eine durchaus subversive Programmatik, die Populärkultur auf dem Plan hatte, längst bevor es das Wort dafür gab, zu den Eigenheimbesitzern trugen und sie dort in Jägerzaun-Mentalität übersetzten, so arbeitet der jetzige Bilder-Aufwasch einer Betriebsamkeit zu, die womöglich global handelt, aber ganz sicher lokal denkt. Gartenzwerg ist Eskapismus. Und das ist der neue Pop.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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