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1st Moscow Biennale of Contemporary Art - dialectics of hope: Russisches Tauwetter? Die Biennale als Modell der kulturellen Integration

Es gibt zwei erprobte Modelle einen neuen Standort mit der Internationalen Art World Community kompatibel zu machen: entweder durch die Niederlassung einer internationalen Kunstmesse oder einer Biennale. Zusätzlich zur bereits etablierten Kunstmesse Art Moscow verfügt die russische Metropole jetzt auch über das Pilotprojekt der "1st Moscow Biennale of Contemporary Art", besetzt mit einem hochkarätigen europäischen Kuratorenteam von H.U. Obrist bis zur Co-Kuratorin der Venedig-Biennale Rosa Martinez. Die Moskauer Biennale wird als ein weiterer Schritt auf dem Weg der politischen Modernisierung des Riesenlandes und dessen Integration in die internationalen Standards betrachtet ("Christian Dior statt Lenin"), auch wenn diese Inhalte seitens der Kuratoren noch unklar formuliert bleiben. Die russische Regierung unterstützte das Projekt mit 1,5 Million Dollar. In der Ära des neoliberalen Konsums bzw. des De-Stalinismus und der Nach-Perestroika, wächst aber auch in der Kunstwelt der Widerstand einheimischer Kräfte gegen die westliche Vereinnahmung. Man strebt nach Selbstbestimmung und versucht sich in einer Neupositionierung zwischen Europa und Asien. Die tonangebende Moskauer Kunstszene, wie es schon das Katalogvorwort der Kuratoren vorwegnimmt, ist mehrheitlich konservativ. Die Biennale will dem entschieden widersprechen, was nicht an allen Orten der mit einer Olympiade vergleichbaren Großveranstaltung gelungen ist. Die Austragungsorte der "Dialectics of Hope" sind Museen, die Metro (John Bock), Fondationen und die Galerienszene. Es gibt 50 Special Programs, wie z.B. "Accomplices" in der Neuen Staatlichen Tretyakov Galerie, die nur russische Kunst, vorwiegend umstrittener Qualität (mehr Zeitdokumente als Kunstwerke aus den Jahren 1960-2000) zeigen, ohne irgendwelche verständlichen Informationen für Außenstehende zu vermitteln, oder am anderen Hauptort, dem Shchusev Museum, werden Arbeiten, zumeist Videoart, ohne Künstlernamen und Beschreibungen präsentiert. Angeblich als Akt der Sabotage gegen die Biennale selbst. Dabei zeigen sich die vielen "fremden" aus dem Westen eingereisten KünstlerInnen, die "die Kunst des beginnenden 21. Jahrhunderts definieren sollen", in ihren Arbeiten durchaus kooperativ und sehr bereitwillig in der interaktiven Integration des lokalen Publikums. Einige von ihnen haben sogar ihre sonst "westlich" orientierte Ästhetik auf die russischen Standards abgestimmt. Der Deutsche Michael Beutler, dessen spezifische Installationen das Umfeld bastlerartiger Heimwerkerstätten vermitteln, hat im ersten Raum des ehemaligen Lenin Museum, das seit 12 Jahren erstmals wieder geöffnet ist, ein Gewirr aus Latten und Stäben installiert, über die man ständig stolpert. Gelatin hat gleich nebenan ein enges einfaches Häuschen aus Holz aufgestellt. Die BesucherInnen werden aufgefordert die Treppe hinauf zu steigen, um in dieser Abgeschiedenheit einen kollektiven Kunstbeitrag zu leisten. Das Ergebnis des Aborts, ein unförmiges gelbes Eis-Anti-Stalaktit, war an der Museumsfassade in der Nähe des an den Pathos der Revolution erinnernden Roten Platzes zu bestaunen. Die "Accidental Collages" der Polin Paulina Olowska, die nur Frauen fragmentarisch variieren, sind ihre Antwort an Malevitschs Diagramme über "Lebensart", die er 1927 in Warschau vorstellte. Unter den 41 Künstlern der "Dialectics of Hope" sind 5 aus Moskau. Einer davon, Alexei Kallima, versucht in der Tradition der Popart die nationalen Konflikte seiner Heimat anhand der kosmopolitschen Sprache der Konsumwelt wie z.B. Autospielzeug zu visualisieren, David Ter-Organyan versteckt dagegen an mehreren Plätzen fragile, selbst konstruierte Bomben mit Uhren und Scotch Bändern, die er frei nach Magritte "It Is Not a Bomb" benennt. In dem etwas besser konzipierten Projekt "Gender Trouble" werden erneut nur russische Künstler gezeigt, und in der "Post-Diaspora" diejenigen, die ihr Land verlassen haben, wie Pavel Bräila oder Anton Ginzburg. Zwei Tage nach dem Eröffnungsfest versammelten sich trotz eines heftigen Unwetters die Altkommunisten vor dem Lenin Museum und protestierten gegen die Besetzung ihres Tempels durch die eigenwillige Art World. Dies führte aber nur zu einem höheren Absatz der kommunistischen Devotionalien, die vor dem Gebäude zum Kauf angeboten werden.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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1st Moscow Biennale of Contemporary Art - dialectics of hope
28.01 - 28.02.2005

Moskau Biennale
101000 Moskau,
http://2nd.moscowbiennale.ru/en/


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Question
Andrey Kovalev | 15.02.2005 10:36 | antworten
Dear Friends! Is this article will be published in printed edition& Moscow Biennale website editor Andrey Kovalev kovalev@moscowbiennale.ru

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