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open systems: Purismus und Radikalität

Eine 400-Watt-Glühbirne gleißt im Raum, nackt, kahl, pur. Schließt man die Augen, so ergibt sich eines jener Nachbilder, an die Carsten Nicolais Arbeit mit ihrem Titel \"Carrying a Dot\" auch gemahnt, und mit diesem bezeichnenderweise physiologisch erzeugten Fleck auf der Netzhaut hat man sogleich das einzige Stück Farbe der gesamten Schau. Benno Löning, der beim Württenbergischen Kunstverein Stuttgart arbeitet, hat in der Galerie T 19 eine beeindruckende Etüde an Kargheit inszeniert. Schwarz auf Weiß sind alle Exponate, und ihre Bildlichkeit ist auf jene signaturhaften Linienfigurationen beschränkt, die man normalerweise von der Schrift kennt. Alle Arbeiten ähneln Notationen, auch wenn sie keinen verbindlichen Code kennen, nach dem zu entschlüsseln wäre, ob sie und was sie an Informationen enthalten. Von Carsten Nicolai, dem bekanntesten Vertreter, gibt es weiters eine sechsteilige, partiturhafte Zeichung auf Transparentpapier. Donna Nield aus New York hat die Wand mit Figuren bestempelt, die die Grundrisse jener kioskartigen Einbauten wiedergeben, wie sie etwa Parfüm-Hersteller in Kaufhäusern benutzen. Der Niederländer William Engelen hängt Folien von der Decke, auf deren Bahnen sich palimpsestartig Textteile, Tanznotationen, Architekturfragmente überlagern. Carsten Sievers schließlich, wie Nicolai Berliner, überzieht den Korridor mit Papierbögen, die eine Art Tagebuch enthalten, dargeboten allerdings in einer selbstkonstruierten und entsprechend unlesbaren Schrift. Bei T 19 prangt also Conceptual Art von der strengsten Observanz. Die Radikalität, mit der hier vier Positionen zusammengefügt und mit der die Reduktionsgeste durchgehalten ist, hat allerdings einen Haken. Die Schau ist sich dessen bewußt, nennt sich \"open systems\" und tut mithin so, als ließe sich damit ein Nenner schaffen. Doch als ästhetischer Begriff ist das älter als allesamt der Beteiligten. Offenheit hat sich Umberto Eco1962 einfallen lassen, und das Hantieren mit dem System hat ebenso seit den Sechzigern System. Was die Positionen also letztlich zusammenhält, ist allein ihre Optik. Und auch im Purismus ist man nicht gefeit vor dem Dekorativen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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open systems
09.02 - 24.03.2001

T19
1010 Wien, Tuchlauben 19/7
Tel: +43 1 532 27 28, Fax: +43 1 532 28 54
Email: t19-gallery@xpoint.at
http://www.t19-gallery.com/
Öffnungszeiten: geschlossen


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