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Rainer Ganahl - Sprache der Emigration: Nicht Distanz, aber Distance

Der Vulgärexistenzialismus, in dem sich der Kulturbetrieb heutzutage gefällt, der von der Versehrtheit schwadroniert und den wie auch immer guten oder schlechten Sex mindestens im Metaphysischen verankert, ist das Produkt einer höchst luxuriösen Situation. Das Dasein ist in unserer Zeit und unseren Breiten - dankenswerterweise - nicht mehr mit Schicksal befrachtet. Um so intensiver kann man das Staunen von Menschen lernen, die die Bedrohung an Leib und Leben kennen, und in einer eindringlichen Installation macht Rainer Ganahl mit solchen Menschen bekannt. Ganahl, geboren 1961 in Vorarlberg, seit mehr als zehn Jahren in New York lebend, befragt sie, nimmt das Gespräch auf Video auf, macht einige Fotos von ihrer Wohnung und präsentiert das Ganze per Monitor und Glasrahmen. Das ist alles, und das ist sehr viel. Ganahl hat seine Gesprächspartner in New York aufgespürt. Allesamt kommen sie aus Wien, sind sie Juden und haben sie den Nationalsozialismus überlebt. Es ist eine \"Sprache der Emigration\", die sie sprechen, und sie ist völlig frei von allem Schwadronieren. Die Souveränität, mit der die Überlebenden des Totalitarismus ihre Geschichte rekapitulieren, frappiert immer wieder - in den Filmen von Marcel Ophüls oder Claude Lanzmann war dies auch zu beobachten. Doch soll es Ganahls Leistung nicht schmälern, und diese Leistung besteht in der Zurückhaltung. Es ist nicht Distanz, aber Distance zu spüren vor der Biografie der Emigranten, Ganahls Gefühl für etwas an diesen Menschen, was man \"Longue Durée\" nennen könnte, ein Resepkt vor der Anhaltendheit dessen, daß sie leben. Daß die Österreicher die NS-Direktiven seinerzeit eifriger umsetzten als ihre Erfinder und daß der Zweifel nicht auszuräumen ist, ob dies heutzutage ganz und gar anders wäre, steht in diesen Interviews selbstverständlich auch. Doch Ganahl gelingt es, durch geduldiges Zuhören und einfaches Fragen, eine Dimension hervorzuholen, die jenseits der kleinen Kalküle mit dem Status Quo liegt. Es ist eine existenzielle Dimension, ganz ohne Vulgarität.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Rainer Ganahl - Sprache der Emigration
09.02 - 21.04.2001

Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
1010 Wien, Grünangerg. 1/2
Tel: +43 1 5121266, Fax: +43 1 5134307
Email: galerie@schwarzwaelder.at
http://www.schwarzwaelder.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa: 11-16h


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