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Interior/Exterior: Gruppenschau als Interferenzzone

Seit sich die Kunst, wie Oscar Wilde sagte, mit großem I wie \"Ich\" schreibt, hat sie ihre Claims abzustecken gegenüber dem vielen, was sie nicht ist. Am schwersten fallen solche Positionsbestimmungen des Eigentlichen dann, wenn der Träger der Zuständigkeit für das, was jeweils eigen ist, wechselt. Die Linguistik nennt solche wechselnden Formationen \"Shifter\": Ich und Du, Hier und Dort, Links und Rechts sind einige von ihnen: Ihr Gebrauch wandert von Sprechendem zu Sprechendem weiter. Kinder und Künstler sind speziell gefordert, sich damit ins Vernehmen zu setzen. Innen und Außen sind ebenfalls \"Shifter\". Vielleicht hat das Thema, dem die Galerie Friedrich/Ungar eine höchst sehenswerte Gruppenausstellung widmet, auch deshalb soviel Konjunktur. Reicht es, bei diesem Thema auf die räumliche Konkretheit von Architektur zu verweisen und für Innen Stilleben sowie für Außen Veduten abzuliefern? Der besondere Reiz der Präsentation liegt gerade darin, daß sie meint, es würde reichen, aber das Gegenteil vorführt. Innen und Außen haben ihren Abgrund. Die Wienerin Siegrun Appelt zeigt Fotos aus dem 15. Bezirk, Fünfhauser Einfamilienhäuser, die über Hecken lugen, als lieferten sie die Kulissen für David Lynch. Der Kölner Frank Breuer, Becher-Schüler, hat Container-Bauten abgelichtet, Kuben für den Allzweck von monumentaler Einfalt. Bei Constanze Ruhm, ebenfalls Wienerin, ist es von vornherein Nacht, und in der \"Evidenz\", die sie per Titel verspricht, ist das Augenscheinliche bei aller Dunkelheit vor allem virtuell. Anja Schrey, Düsseldorferin und spezielle Entdeckung der Schau, hat den Eingangsbereich eines typischen Eigenheims mit Klinkerfassade abgemalt und die große Frage buchstäblich in den Raum gestellt: Wie groß muß die Bildfläche zur Gebäudefläche sein? Ihre Antwort ist so treffend wie unbefriedigend: Vielleicht halbe Lebensgröße? Alexander Vethers, geboren in Tschechien, in New York lebend, fotografiert die Korridore von Schlössern entlang. Der Eindruck: kafkaesk. In diesen fünf Positionen werden Innen und Außen zuallererst etwas Magisches. Derlei Geheimnis ist womöglich leicht zu erklären: Weil jeder der Beteiligten ein anderes Exterior zum Interior zugrundelegt, entsteht eine Interferenzzone des jeweils Fremden. Die Gruppenschau als Interferenzzone: Darin liegt die Qualität.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Interior/Exterior
10.01 - 16.03.2001

Galerie Six Friedrich/ Lisa Ungar
80333 München, Steinheilstrasse 18


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