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Zur US-Wahl: Eine kurze Anmerkung zum Fundamentalismus

Das Religiöse erfährt in den letzten Jahren, und Mister Bush ist einer seiner Exponenten, eine Art von Renaissance. Weniger das diffuse Bedürfnis nach Spiritualität ist damit gemeint, das die Leute in Weisheitslehren und Meditationswochenenden treibt, sondern jene durchaus militante, missionarische, millenaristische Variante, die unter dem Begriff Fundamentalismus firmiert. Diese Variante kann beim Religiösen dessen institutionelle Kompetenzen brauchen, seine politischen und moralischen Dimensionen, eine totalisierende Kraft, die beansprucht, alle Lebensbereiche zu erfassen. Dieser Fundamentalismus ist alles andere als eine Rückkehr zu vormodernen Vorstellungen. Im Gegenteil, hier wird eine ganz moderne Praxis greifbar, denn ihr Zentrum ist nicht eine radikal heteronome, alles in ihren Bann ziehende Kraft, also nicht jene überbordende Instanz, die man mit dem Gottesbegriff verbindet. Fundamentalismus ist vielmehr eine durchaus autonome Behauptung des sehr Eigenen und sehr Eigentlichen. Fundamentalismus ist eine Strategie zur Definition des Selbst mit den Mitteln des radikal dem Selbst Entgegengesetzten. Religion ist mit anderen Worten ein Medium, ein radikalisierbares Medium zur Durchsetzung ganz eigener Postulate. Müßig anzumerken, daß zu Zeiten authentischer Religiosität der Weg gerade in die Gegenrichtung verlief: Da war das Religiöse das Ziel, und die eigenen Vorstellungen waren das Mittel. Fundamentalismus ist eine politisch-moralische Reaktion auf einen profanen, einen säkularen, einen allzu modernen oder modernistischen Status Quo der schieren Diesseitigkeit. Entsprechend ist er, wie die Erscheinung politisch-moralischer Reaktion nicht minder, selbst ein modernes Phänomen. Die frühesten Ausprägungen von Fundamentalismus gab es, man sollte es nicht vergessen, in der Kunst. Hier wurde das heilsbringerische, Erlösung verheissende, also eschatologische Vermögen der Religion abgeschöpft, als es mit dem Glauben selbst vorbei war. Das "Werk" und der "Schöpfer" garantieren seither die Sinnfülle des Innerweltlichen. Dass Künstler für Bush sein müssten, ergibt sich daraus allerdings nicht.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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