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Dora Maar & Picasso: Sieben Jahre Zweisamkeit

Die Originalität der Verspäteten ist die Ironie. Also gestaltet Dora Maar das Bildnis des Jahrhundertkünstlers in dessen ureigenstem Idiom, in jenem typischen, gedämpft kubistischen Profil, das beide Gesichtshälften simultan zeigt. Die Knopfaugen und die Knollennase lassen über die Identität des Dargestellten ohnehin keinen Zweifel: Es ist Picasso. So schwierig und derart vom zeichnerischen Wurf des Weltwunderkindes abhängig war die Porträtähnlichkeit auch in Picassos Manier nicht. Es genügen ein paar karikierende, physiognomisierende Züge, und fertig sind das Angesicht und seine Wiedererkennbarkeit. Dora Maar, 1907 in Paris als Henriette Markovitch geboren, war eine ureigene, mitten im kreativen Leben stehende und besonders als Fotografin auch recht erfolgreiche Künstlerin, als Picasso 1936 in ihr Leben trat. Und wie es geht mit den Egomanen und den Frauen, die man dann Musen oder Gefährtinnen aber niemals Konkurrentinnen nennt, warf sie ihm ihre Existenz zu Füßen. Die Surrealisten hatten sie ob der sinistren Züge, die ihr Unnahbarkeit verliehen, verehrt; und sie hatten sie als Kollegin geschätzt, weil ihre Collagen, ihre Modeaufnahmen und ihre Einblicke in das Innenleben des Zirkels, ihre Konterfeis von Breton, Eluard oder Barrault, den Travestien und Perspektivenwechseln der Zeit entsprachen. Picasso dagegen ließ sie zur Dokumentaristin verkommen; fortan verfolgte sie mit der Kamera den Werdegang von \"Guernica\" oder den Meister, wie er am Strand plantscht. Die Surrealisten, so zeigt es allein ihr Verhalten Dora Maar gegenüber, waren Verbalerotiker; Picasso aber war ein Macho. 1943 ließ er sie stehen. Die Ausstellung im Münchner Haus der Kunst versucht einer künstlerischen Individualität zu ihrem Recht zu verhelfen, wie es nur geht - mit langen Fotografiefolgen, Devotionalien und Dokumenten und repräsentativen Beispielen ihrer Malerei. Picasso steuert ein Dutzend Porträts von ihr bei, vor allem jene hyperaktiven, mit höchster Expression aufgeladenen Antlitze der weinenden, in ihr Taschentuch verbissenen Passionsgestalt, die man gern als Vorahnungen des Weltkriegs begreift. Deswegen gehen die Leute auch hin. Picasso nämlich kennt man. Dora Maar wäre demgegenüber zu entdecken.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Dora Maar & Picasso
13.10.2001 - 06.01.2002

Haus der Kunst München
80538 München, Prinzregentenstrasse 1
Tel: +49 (0)89 21127-113, Fax: +49 (0)89 21127-157
Email: mail@hausderkunst.de
http://www.hausderkunst.de/
Öffnungszeiten: Mo – So 10.00 – 20.00, Do 10.00 – 22.00


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