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Maria Hahnenkamp: Sticken, Sticheln, Nähen, Bohren, Schmirgeln

One-Woman-Shows sind in Maria Hahnenkamps Biographie zahlreich gelistet: Seit den frühen 1990ern wurde das Werk der österreichischen Künstlerin (Jahrgang 1959), in deren Schaffen Fotografie eine zentrale, aber nicht die einzige Rolle spielt, in den wichtigen Kunstvereinen und Fotoinstitutionen des Landes sowie Projekträumen nicht nur österreichischer Museen präsentiert. Von Camera Austria, Graz, über das Wiener Jesuiten-Foyer bis zur Fotogalerie Wien, vom Studio der Neuen Galerie in Graz über die MAK-Galerie, den Salzburger Kunstverein bis zur Stadtgalerie Saarbrücken (um nur einige zu nennen) wurde Maria Hahnenkamp zu Solo-Präsentationen geladen. Dazu kommen Soloshows in internationalen und nationalen Galerien in Paris, New York, Wien und anderen Städten. Immer wieder aufs Neue fokussierte sie dabei jeweils unterschiedliche Aspekte ihrer feministisch- medienkritischen Arbeit in konzisen, eng geführten Installationen.

Das Belvedere 21 hat sich nun der Aufgabe angenommen, Maria Hahnenkamps Œuvre erstmals in Form einer großangelegten und umfassenden Überblicksausstellung zu präsentieren und Werke aus allen Schaffensperioden zusammenzuführen. Trotz einer Fülle von über 100 Exponaten aus mehr als drei Jahrzehnten kommt die Personale nicht retrospektiv daher. Feinsinnig und feinfühlig kuratiert von Stefanie Reisinger, lässt diese One-Woman-Show die Chronologie als Ordnungssystem hinter sich und spürt statt dessen wesentlichen, oft wiederkehrenden Bewegungen und Entwicklungen von Hahnenkamps Schaffen in Form von Quer- und Rückbezügen nach. Die Ausstellungsgestaltung von Architekt Walter Kräutler, der das lichte Obergeschoß des früheren Weltausstellungspavillons bis auf wenige senkrechte Projektions-Module freigeräumt hat, gibt nicht nur den feinen, bisweilen recht kleinteiligen Arbeiten viel Raum. Sie unterstützt auch den kuratorischen Ansatz, indem sie ein intensives Spiel mit Blickachsen und die Freilegung von Bezügen buchstäblich quer durch Raum und Zeit ermöglicht. Die großen Dominanten der Ausstellung bilden jene Themen, entlang derer Maria Hahnenkamp ihr Werk von Beginn entwickelt hat - die soziale und kulturelle Konstruktion des Blicks auf die Frau und ihres Bildes und das Sich-Abarbeiten an einer durch die neuen Medien beschleunigten Bilderflut. Sie sind denn auch Start- und Ausgangspunkt der Ausstellung.

Insbesondere in den frühen 1990er Jahren begegnet Maria Hahnenkamp der medialen Flutung mit einer Strategie des Bildentzugs, indem sie etwa von Fotografien die oberste Schicht abgeschmirgelt, so dass das weiße Papier - gleichsam in Analogie zur weißen, immer wieder auch mit Ornamentbohrungen versehenen Wand und zum Raum - auf seine Funktion als Speicher- und Trägermedium zurückgeworfen wird. Alternativ entzieht sie fotografische Serien, die ihrerseits Parallelen zwischen religiösen Ritualen, Sorgearbeit und der Konstruktion von Weiblichkeit aufwerfen, dem raschen Zugriff, indem sie sie etwa in genähte weiße Seidenalben mit selbstbezeichnetem Spinnenpapier einbettet. Oder sie wendet Readymades wie Verpackungen, Ornamente oder Dekorelemente ins Psychoanalytische, indem sie einerseits formale Bezüge zum Körper herstellt, diese andererseits als Trigger von Begehren dekonstruiert und etwa seidenbeflockte Inlays modischer Parfüms durch goldene Rahmungen, Podeste und Glashauben zu verführerischen “Devotionalien” erhöht. Im Kontrast dazu verhandeln wiederum Dia-Shows, bei denen in rasantem Tempo Bildzitate aus den Bereichen Mode, Kunstgeschichte und Pornographie parallel an die Wand projiziert werden, die Konstruktion des Blicks hart und direkt. Die Farbe kulminiert schließlich in den “Roten zusammengenähten Fotoarbeiten”: analog fotografierten Aufnahmen in Rot gekleideter Frauenkörper, aber auch gepolsterter roter Sofas, die erst fragmenthaft zerschnitten und dann in neuer Anordnung zu neuen Bildern zusammengenäht werden.

Diese Polarität von Maria Hahnenkamps Ästhetik nachzeichnend, werden denn vor allem zwei Farben in der Ausstellung zum gliedernden Faktor: die Farbe Weiß in all ihren Nuancen als Platzhalterin der Stille, Leere und Auslöschung - vis-a-vis von Rot als formaler Antagonistin, Symbolfarbe und Stellvertreterin des Begehrens, Aufbegehrens und der Körperlichkeit. Dazu kommt Maria Hahnenkamps präzise Handwerklichkeit, die an der sichtbaren Oberfläche zart und fragil daherkommt, der durch Methoden wie Besticken, Besticheln, Vernähen, Bebohren oder Abschmirgeln jedoch ein extremer körperlicher, ja performativer Einsatz vorausgeht. Leise, nahezu versteckt und die Auslöschungen des Anfangs aufgreifend, finden sich schließlich, gegen Ende des Rundgangs, in einer Nische die Spuren einer Soundperformance in Gestalt einer durch Pausen und Auslassungen strukturierten Textarbeit und unregelmäßig eingespielter Tonaufnahmen. Als künstlerische Adaptierung von John Cages “Vortrag über das Nichts" ist diese neueste Arbeit von Maria Hahnenkamp gleichsam ein Manifest ihres Oeuvres, das an diesem Ort, in dieser Ausstellung, ganz wunderbar auf den Punkt gebracht ist.

Mehr Texte von Johanna Hofleitner

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Maria Hahnenkamp
21.03 - 31.08.2025

Belvedere 21
1030 Wien, Schweizergarten/Arsenal-Straße 1
Tel: +43 1 795 57-0
Email: info@belvedere.at
http://www.belvedere21.at
Öffnungszeiten: Mi-So 10-18 h, Mi, Fr bis 21 h


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