
Ernst Hilger 1950 – 2025
Ohne ihn wäre die Wiener Kunstszene wohl eine andere geworden. Ernst Hilger studierte ursprünglich Betriebswirtschaft, doch aus Begeisterung für Musik gründete er in Wien den Club Atlantis, in dem viele Musiker auftraten, die heute für den Beginn des Austropop stehen. Sein Einstieg in die bildende Kunst begann gemeinsam mit dem Kunstsammler Peter Infeld. Die beiden produzierten eine Grafikedition für Studierende die umgerechnet nur 25 Euro kostete.
Mit Mario Mauroner eröffnete er gemeinsam 1972 die Galerie Academia in Salzburg, danach die Spektrum in Wien. Im Jahr 1976 folgte schließlich die eigene Galerie im ersten Stock eines Hauses in der Wiener Dorotheergasse 5, wo sich auch heute noch der Standort der Galerie Ernst Hilger befindet. Die Galerie entwickelte sich rasch zu einem wichtigen Ausstellungsort für österreichische Künstler wie Adolf Frohner, Hans Staudacher, Georg Eisler, Gunter Damisch und nicht zuletzt Alfred Hrdlicka, den die Galerie bis zu dessen Tod im Jahr 2009 exklusiv betreute. Dazu kamen im Programm Editionen von wichtigen Künstlern der internationalen Pop Art, von Andy Warhol über Erró bis zu Mel Ramos und Streetart-Künstler wie Shepard Fairey oder Stinkfish. Schon 1996 etablierte er gemeinsam mit Siemens das Siemens art LAB, eine Plattform zur Unterstützung für junge Künstler:innen, speziell aus Südosteuropa, zuerst als Website www.artlab.at (heute nicht mehr aktiv) und ab 1997 als eigener Ausstellungsort schräg gegenüber der Galerie, der bis zum Jahr 2009 bestand. Der Hauptsitz der Galerie in der Wiener Innenstadt, wurde über die Jahre weiter ausgebaut und es gab Ausstellungen in Räumen im Mezzanin und ab dem Jahr 2003 einen großzügigen Ausstellungsraum auf zwei Ebenen im Erdgeschoß und Untergeschoß des Hauses. In der ehemaligen Ankerbrotfabrik gründete Ernst Hilger zwei weitere Ausstellungs-Spaces, die Hilger Brotkunsthalle (2009) und Hilger Next (2013), danach folgten Räume in der Wiener Innenstadt in der Ballgasse. Dazwischen gab es temporäre Dependancen in Frankfurt, Köln, Paris und New York.
Seit den 1990er Jahren engagierte sich Ernst Hilger im Verband österreichischer Galerien moderner Kunst. Er initiierte schon 1995 die erste gemeinsame Website für Galerien (www.kunstnet.at) und war über viele Jahre hinweg die einigende Kraft hinter der oftmals recht zerstrittenen Wiener Galerienszene. Überhaupt war Ernst Hilger einer, der wie kaum jemand die Kunst der Kooperation beherrschte. Mit dem Kunstkritiker Paul Kruntorad gründete er schon 1974 die Kunstzeitschrift „Galerienspiegel“ und auch das artmagazine wäre ohne seine Anschubhilfe nicht gegründet worden. Gemeinsam mit Manfred M. Lang engagierte er sich viele Jahre für die „Kunst Wien“, jene Kunstmesse aus der sich schließlich die Viennafair und letztendlich die viennacontemporary entwickelte.
Ernst Hilger war es immer wichtig, Kunst so niederschwellig wie möglich zu vermitteln. Von der Studentenedition bis zu den unzähligen von der Galerie herausgegebenen Grafikeditionen die er auch über seinen eigens gegründeten Artclub vertrieb, deckte er eine große Bandbreite an Kunst ab, von Gottfried Kumpf bis Allen Jones oder Christian Ludwig Attersee, dessen ausdrucksstarke jüngste Malerei aktuell in der Galerie zu sehen ist. Daneben unterstützte Hilger immer wieder junge Künstler:innen mit Ausstellungen, zeigte Kunst aus Südosteuropa, Südafrika und den Bahamas, Streetart und Studierende der Wiener Kunstunis in der Ankerbrotfabrik.
Hinter seinem Engagement für viele seiner Projekte außerhalb der direkten Galeriearbeit stand immer die Idee, auch andere Galerien und die weitere Kunstszene miteinzubeziehen und nicht zuletzt davon auch mitprofitieren zu lassen. Wie schon erwähnt wäre auch das artmagazine ohne Ernst Hilger so nie gegründet worden und ich bin ihm über die viele Jahre dauernde Zusammenarbeit zu allergrößtem Dank verpflichtet.
Ernst Hilger war eine der freundlichsten und offensten Persönlichkeiten der Wiener Kunstszene. Er war immer bereit zwischen Streitparteien zu vermitteln und um Konsens bemüht, um gemeinschaftliche Projekte vorwärts zu bringen. In letzter Zeit musste er sein Engagement aus gesundheitlichen Gründen etwas zurücknehmen, doch war er am vergangenen Wochenende noch selbst präsent auf einer Kunstmesse und vereinbarte dort Termine für diese Woche um über zukünftige Kooperationen zu sprechen. Durch seinen plötzlichen Tod verlieren wir nicht nur einen Geschäftspartner und erfolgreichen Galeristen, sondern einen der großen Fürsprecher einer breiten Verankerung von Kunst im Alltag von möglichst vielen Menschen.
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Abbildung: Ernst Hilger, Foto: eSeL
